Gewaltsame Ausbildung von Iberischen Reitpferden

Aus Spanien oder Portugal importierte Pferde weisen häufig Spuren von Misshandlungen auf und selten spricht jemand offen über die Ursachen. Heide Ahrens, seit fast 50 Jahren im Sattel, ergreift Partei für die auf eine Idealvorstellung hin gedrillten Tiere. Nicht jeder Andalusier müsse die „Hohe Schule“ erlernen – und wenn, sollte die Entwicklung dahin von einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Mensch und Pferd begleitet werden.

Hohe Exportgewinne mit Andalusiern und Lusitanos

Pferde von der Iberischen Halbinsel erfreuen sich bei deutschen Freizeitreitern zunehmender Beliebtheit. Sie gelten als besonders gut ausgebildet, geduldig, charakterstark, nervlich belastbar und sehr auf den Menschen bezogen. Die in den seit Anfang des 20. Jahrhunderts geführten Zuchtbüchern erfassten spanischen Andalusier (PRE = Pura Raza Española, „Reine Spanische Rasse“) und portugiesischen Lusitano (Puro Sangue Lusitano, „Vollblut Lusitano“) erzielen als „Exportschlager“ Preise im vierstelligen Bereich.

Neben den reinrassigen Iberern kommen aber auch Andalusier von zweifelhafter Herkunft auf den deutschen Markt. Ohne Papiere zu geringeren Verkaufspreisen angeboten, werden sie u. a. von unerfahrenen Reitern gerne als Einstiegspferde erworben.

Beim Eintreffen erweisen sich die „Traumpferde“ oftmals als störrisch, mitunter aggressiv und müssen langsam an den vertrauensvollen Umgang mit Menschen gewöhnt werden. Der Grund dafür ist die mitunter sehr harte Ausbildung in ihrem Herkunftsland, von der auch hochpreisigere PRE betroffen sein können.

Eine passionierte Reiterin klagt an

Heide Ahrens, Reiterin seit 1965, ruft zur verstärkten Kontrolle der Iberischen Pferdezucht und -haltung auf: „Die Mängelliste ist lang: Kleine Boxen, dreckige Paddocks, keine Weiden, falsche Fütterung, miese Reitanlagen, schlechte Ausrüstung, das Folterinstrument Serreta, kaum ausgebildete Hufschmiede, Tierärzte mit eklatanten Defiziten.“

Vor allem prangert die Reitlehrerin und Fachjournalistin an, dass „permanent ausländische Reiter, Touristen und vor allem weibliche Teenager den Spanischen Stil anhimmeln“. Diese machten sich durch ihr romantisierendes und unkritisches Verhalten „mit schuldig bei Pferdeschinden und Tierquälerei“.

Brutale Erziehungsmaßnahmen

Nach 15 Jahren Lebenszeit mit eigenem Pferd zwischen Valencia und der Algarve kennt Ahrens dort 130 Reitanlagen, in 20 davon war ihr Wallach zeitweilig untergebracht. Ihr Urteil ist ernüchternd – besonders kritisiert sie das Anreiten von Jungtieren mit Hilfe der „Serreta“. Diese klassische Form der iberischen Ausbildungszäumung nutzt einen gezähnten, oftmals nur mit dünnem Leder ummantelten Stahlbügel, mit dem der Wille des Reiters schmerzhaft auf die Pferdenase übertragen wird. Sie wird nur für den sensiblen Gebrauch empfohlen und kann bei unsanfter Anwendung zu Verletzungen führen.

Der Nutzen für den Ausbilder: Das Pferd nimmt, um sich vor den Zacken zu schützen, automatisch den „Hals hoch und den Kopf hinter die Senkrechte“. So erreicht man innerhalb kürzester Zeit die edle Haltung, für die die iberischen Pferde gerühmt werden.

Kommen Pferde aus Spanien und Portugal in Deutschland an, tragen sie vielfach Narben von der Serreta. Heide Ahrens: „Der oft zu sehende Knick im sonst recht geradlinigen Knochen ist nicht etwa rassetypisch, wie gerne behauptet wird, sondern ein schlecht verheilter Bruch am Nasenbein.“

Von Null auf Showstar in 72 Stunden

Nachvollziehbar wird dessen Zustandekommen bei ihrer Beschreibung des „Anreitens“ im Vorfeld großer Feiertage wie zum Beispiel der „Feria de Agosto“ in Malaga. Uneingerittene Junghengste müssen die Fertigkeiten „Führen, Longieren und Reiten“ unter Anwendung der Serreta und bewusster Überforderung in nur drei Tagen erlernen – alleine Schritt, Trab, Galopp, „rechts- und linksherum“ dauert gewöhnlich schon drei Monate.

Grund für diese drastischen Maßnahmen ist neben fehlender Zeit und mangelndem Respekt auch die Zuschreibung, dass Andalusier besonders für die „Hohe Schule“ geeignet seien.

Diese Pferdedressur höchsten Schwierigkeitsgrades wird an der Königlich-Andalusischen Reitschule (Real Escuela Andaluza del Arte Ecuestre) in Jerez de la Frontera und der Spanischen Hofreitschule in Wien betrieben.

Heinz Gerlich, PRE-Züchter aus Essen, spricht diesen Missstand deutlich offener an als viele seiner Kollegen: „Leider Gottes ist es der Fall, dass fast jedes spanische Pferd, das „angeboten“ wird, mindestens „piaffiert und passagiert“ (http://www.aaccpre.com/reiten).

Dazu Heide Ahrens: „Spanischer Schritt und Piaffe werden ausschließlich mit der langen Peitsche „herausgearbeitet“. Es gibt Pferde, die „piaffieren“ im Stall, sobald ein Mensch in die Nähe kommt.“

Ihre Erklärung dafür: Piaffieren die Tiere nicht, erhalten sie Schläge.

Helfen Sie mit, die in Südwest-Europa als „normal“ wahrgenommene Tierquälerei zu verhindern!

 

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