Distanzreiten Pferd

Die Schattenseiten des Distanzreitens

Der Weltverband für Pferdesport (FEI) hat die Vereinigten Arabischen Emirate bis auf weiteres ausgeschlossen. Er reagiert damit auf haarsträubende Vorkommnisse im Distanzreiten bei diversen nationalen Pferdesportveranstaltungen in den Emiraten. Das Distanzreiten ist auch bei den alle vier Jahre stattfindenden Weltreiterspielen eine von acht Disziplinen, in denen Reiter aus aller Welt gegeneinander antreten. Bei den Zuschauern erfreut sich diese einer besonders großen Beliebtheit, für die Pferde wird sie jedoch oft zur Qual.

Beim Distanzreiten geht es darum, auf unterschiedlichem Gelände eine große Entfernung so schnell wie möglich zurückzulegen, ohne das Pferd dabei zu überfordern. So auch bei den letzten Weltreiterspielen 2014 in Frankreich. Das Bild, das sich den Zuschauern in der Normandie bot war mehr als traurig und zeigte die grausame Realität dieses Hochleistungssports: Von 165 Startern aus 47 Nationen kamen gerade einmal 30 Prozent durch. Mit letzter Kraft schleppten sich die Pferde ins Ziel. Der Rest von ihnen schaffte die 160 Kilometer lange Strecke aufgrund von Erschöpfung und Verletzungen nicht und musste aufgeben.

OHNE RÜCKSICHT AUF VERLUSTE

Verteidiger des Distanzreitens preisen diese Form der Disqualifikation als Tierschutzmaßnahme an, jedoch werden die Pferde nicht rechtzeitig aus dem Rennen genommen, sondern müssen solange weiter laufen bis sie kurz vor einem Zusammenbruch stehen. Erst dann bestehen sie die Veterinär-Checks nicht mehr, die während des Ritts mehrfach durchgeführt werden und scheiden aus dem Rennen aus. Immer wieder kommt es zu schweren Verletzungen und Todesfällen, weshalb der Sport bereits seit einiger Zeit in der Kritik steht.

Selbst erfahrene Distanzreiter empfanden die Strecke 2014 als regelrechte Tortur. Durch den tagelangen Regen war der Boden aufgeweicht und die Pferde mussten sich durch bis zu 50 Zentimeter tiefen Schlamm kämpfen. Im gestreckten Galopp ging es durch enge Kurven, über glitschige Waldwege und steinige Hänge. Die schwüle Luft und die hohen Temperaturen erhöhten die Qual der Tiere zusätzlich. Jedoch zog kaum einer der Reiter die Konsequenzen und brach das Rennen ab.

Schon am Morgen des Wettkampftages erreichte das Spektakel seinen traurigen Tiefpunkt: Die Reiterin Claudia Romero Chacon aus Costa Rica stürzte mit ihrem Pferd Dorado einen Abhang hinunter und konnte einem Baum nichtmehr ausweichen. Das hilflos ausgelieferte Pferd überlebte den Zusammenstoß nicht und auch die Reiterin wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Für ihre Mitstreiter war dies jedoch kein Grund den Kampf um den Sieg aufzugeben.

Das traurige Schicksal von Dorado ist leider kein Einzelfall. Häufig stürzen die Distanzpferde auf den unebenen Geländestrecken und brechen sich die Beine – ein Todesurteil für die meisten von ihnen. Die stetige Überbelastung zieht zudem langfristige gesundheitliche Folgen nach sich. Schon in jungem Alter leiden viele der Pferde an irreparablen Sehnen- und Knochenschäden, die zu einer lebenslangen Lahmheit führen können. Auch lange nach dem Ausscheiden aus dem Sport nimmt das Leid der Pferde kein Ende.

Die Reiter und Zuschauer sollten sich aktuell mehr denn je fragen, ob es vertretbar ist das Leben und die Gesundheit der Pferde bewusst aufs Spiel zu setzen und diesen Sport weiterhin zu unterstützen.

Anmerkung der Redaktion (27.3.2015):

Bei den Weltreiterspielen 2014 schied das Gros der Pferde entweder in den Vet-Gates bei der tierärztlichen Überprüfung aus oder wurde von den Reitern aus dem Wettbewerb gezogen. Auch die fünf deutschen Reiterinnen Sabrina und Melanie Arnold, Belinda Hitzler, Dr. Gabriela Förster und Jenny Stemmler kamen in Caen nicht ins Ziel. Ihre Pferde wurden teils aufgrund von extremen Erschöpfungssymptomen, teils aufgrund der katastrophalen Bedingungen der Strecke vorzeitig aus dem Rennen genommen.

Quellen und weiterführende Links:
Reiter-Weltverband schließt die Vereinigten Arabischen Emirate aus
Distanzreiten: Kritik nach Ausfällen und Pferdetod
Tote und verletzte Pferde beim Distanzreiten in Caen – PETA übt scharfe Kritik
Distanzreiten: Wenn Tempo tötet
Weltreiterspiele in Caen: Pferd stirbt beim Distanzreiten
Bronze title defenders Germany out of the race
Bildnachweis: https://www.flickr.com/photos/7878331@N04/

Aufgrund der vielen Kommentare, die uns hinsichtlich des Artikels erreicht haben, möchten wir an dieser Stelle die Anmerkungen einer Reiterin, die an den WEG 2014 teilgenommen hat, unkommentiert veröffentlichen (teilweise gekürzt, aber inhaltlich unverändert).

Über die Sportlerin: Sie reitet seit 18 Jahren in einem europäischen Kader, hat diverse Medaillen gewonnen, Siege über 120km und Podestplätze über 160km und hat dabei „erst“ das dritte Pferd als Partner für die lange Strecke. Die anderen beiden 20- bzw. 30-jährigen Pferde leben bei ihr zu Hause und sind, nach Angaben der Sportlerin, gesund und topfit. Aus persönlichen Gründen möchte die Reiterin nicht namentlich genannt werden.

WTG: Das Bild, das sich den Zuschauern in der Normandie bot, war mehr als traurig und zeigte die grausame Realität dieses Hochleistungssports: Von 165 Startern aus 47 Nationen kamen gerade einmal 30 Prozent durch.(..)
Sportlerin: Der Streckendesigner Jean-Louis Leclerc, ein sehr sehr anerkannter Mann in der Endurance Szene, hat versucht, endlich wieder einmal eine etwas technischere Strecke für ein Championat auszustecken. Technischere Strecken bedeuten langsamere Tempi, keine Rennbahnen wie sie z.B. grad die Emirate immer haben, damit sie nur drauflos preschen können. Wäre das Wetter auch nur einigermaßen auf der Seite der Veranstalter gewesen, wäre diese Strecke wunderschön und gut zu reiten gewesen. Dass die Strecke dermaßen im Regen versank war schlimm für alle, für den Veranstalter und für die Reiter. Man könnte da höchstens den Vorwurf machen, dass es vielleicht nicht grad super geschickt war ein Championat da ausrichten zu wollen, wo einem die Bodenverhältnisse dermaßen einen Strich durch die Rechnung machen können. Und man hätte von Veranstalterseite das Zeitlimit sofort nach unten anpassen können, anstatt erst nach der Hälfte der Strecke – das hätte den Reitern den Tempodruck genommen.

WTG: Mit letzter Kraft schleppten sich die Pferde ins Ziel. (…)
Sportlerin: Das ist einfach nur Polemik und unwahr. Ich sah überhaupt kein Pferd sich ins Ziel „schleppen“, im Gegenteil sahen die meisten am Schluss gut aus. Haben Sie den „Best Condition“ am nächsten Tag live gesehen? Die 3 Pferde der Medaillengewinner waren sogar ausnehmend super drauf. Haben Sie eine Ahnung wie viele der Pferde die Strecke z.B. nicht schafften weil sie sich ein Eisen abgerissen hatten? Wo ist da die Erschöpfung? Ich selber fuhr genau deshalb leider mit einem topfitten Pferd wieder nach Hause.

WTG: Die Pferde müssen solange weiter laufen bis sie kurz vor einem Zusammenbruch stehen. Erst dann bestehen sie die Veterinär-Checks nicht mehr, die während des Ritts mehrfach durchgeführt werden und scheiden aus dem Rennen aus. Verteidiger des Distanzreitens preisen diese Form der Disqualifikation als Tierschutzmaßnahme an (…)
Sportlerin: Die Vet-Gates SIND Tierschutz. Die Endurance ist die einzige Dispziplin, wo ein Pferd so oft kontrolliert wird und am Schluss nur klassiert wird, wenn es auch die Schlusskontrolle noch „fit to continue“ besteht. Und in 99% der Rennen auf der Welt funktioniert das System auch gut. Gerade in der Normandie hat das Vet-Team wirklich einen grossartigen Job gemacht. Auch die Jury war in der Normandie top, die bemühten sich wirklich darum für alle die gleichen Bedingungen zu schaffen und waren sehr strikt.

WTG: Schon am Morgen des Wettkampftages erreichte das Spektakel seinen traurigen Tiefpunkt: Die Reiterin Claudia Romero Chacon aus Costa Rica stürzte mit ihrem Pferd Dorado einen Abhang hinunter und konnte einem Baum nichtmehr ausweichen (…)
Sportlerin: Claudia stürzte nicht einen Abhang hinunter. Das Pferd kam, warum auch immer, leider vom Weg ab und prallte in den Baum. Dorado war zum Glück sofort tot. Ja, der Unfall war grässlich und ja, so etwas darf im Pferdesport nicht passieren. Da bin ich mit Ihnen einig. Es ist einfach nur schrecklich traurig, wenn so etwas passiert. Leider kann man es aber nie ganz ausschließen, dass Unfälle passieren. Die passieren aber auch normalen Freizeitreitern, die im Schritt durch den Wald gondeln. Diesen Unfall sollte man aber in der Öffentlichkeit anstandshalber anders abhandeln als die Pferdeschinderei in den Emiraten etc., wo die Pferde gezielt durch Doping gefährdet werden und in abscheulich hohen Tempi auf den präparierten „Rennbahnen“ der Ehre wegen laufen müssen.

WTG: Für ihre Mitstreiter war dies jedoch kein Grund den Kampf um den Sieg aufzugeben. (…)
Sportlerin: Es waren ausnahmslos alle tief betroffen. Alle hatten Tränen in den Augen, einige Reiter weinten ohne Hemmungen, hielten am gleich darauf folgenden Groompoint an, um mit ihren Betreuern zu sprechen. Der Veranstalter hielt übrigens während dem Tag über die auf dem Laufenden wie es Claudia ging und auch in den folgenden Tagen wurde im Rahmen der Möglichkeiten informiert über Ihren Zustand. Haben Sie die Anteilnahme auf der Facebookseite von Claudia gesehen? Trotzdem war es eine WM, ja, ein Abbruch kam nicht in Frage.

WTG: Das traurige Schicksal von Dorado ist leider kein Einzelfall. Häufig stürzen die Distanzpferde auf den unebenen Geländestrecken und brechen sich die Beine – ein Todesurteil für die meisten von ihnen. Die stetige Überbelastung zieht zudem langfristige gesundheitliche Folgen nach sich. (…)
Sportlerin: Differenzieren Sie doch, wo Beinbrüche passieren, in den Emiraten z.B. die jetzt endlich gesperrt wurden. Aber doch bitte nicht auf die breite Masse abwälzen, das entspricht einfach in keiner Weise den Tatsachen unseres Sports. Gerade im Distanzsport gibt es tausende Reiter auf der ganzen Welt, die es als absolut selbstverständlich ansehen ihre alten Pferde zu Hause zu hegen und zu pflegen, das ist der ursprüngliche Gedanke warum ein Reiter überhaupt Distanzreiter wird. Das gemeinsame Erlebnis mit dem Partner Pferd in der freien Natur, etwas gemeinsam zu vollbringen. Guten Distanzreiter kennen ihre Pferde besser als alles andere, können sie genau einschätzen, sind Partner ihres Pferdes. Distanzreiter wird niemand, der nur 1 Stunde Zeit pro Tag mit seinem Pferd verbringen will. Gerade Distanzpferde haben es meistens super gut von der Haltung her. Distanzpferde in 23 Std. Boxenhaltung gibt es nämlich nicht, die leben das ganze Jahr über draußen, damit sie sich möglichst viel frei bewegen können. Das ist gesunder Erhalt der Kondition die wir trainieren.

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