Ostafrikas Esel: Zukunft weiter ungewiss
Seit Monaten verfolgen wir die Geschehnisse in Kenia mit großer Sorge. In dem ostafrikanischen Land entscheidet sich womöglich das Schicksal der Esel in der gesamten Region, denn mit seinen vier Esel-Schlachthäusern wirkt Kenia wie ein Magnet für den illegalen Handel mit Eseln im gesamten östlichen Afrika. Dabei erleben wir einen dramatischen Wechsel aus Erfolgen und Rückschlägen – und noch immer ist unklar, ob und wann dem Handel und Export von Eselhaut wirklich ein Ende gesetzt wird.
Hintergrund: Eselhauthandel Ostafrika
Esel sind weltweit zu einem raren Gut geworden. Einer Population von etwa 50 Millionen steht eine Nachfrage von bis zu fünf Millionen Eselshäuten für die Ejiao-Produktion gegenüber. Welche Folgen der florierende Eselhauthandel insbesondere für die Tiere und Menschen in Ostafrika hat, lesen Sie in diesem Hintergrundbericht.
Mehr erfahrenZunächst ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse der letzten Monate:
Das Jahr begann mit unerwartet positive Neuigkeiten, als der kenianische Landwirtschaftsminister Peter Munya im Februar den immer lauteren Rufen von Eselbesitzer*innen und Tierschützer*innen folgte, indem er den Schlachthäusern ihre Exportlizenz entzog und seine Inspekteure abzog, was die Schlachtung von Eseln rechtlich unmöglich machte. Denn in Kenia darf kein Tier geschlachtet werden, ohne dass ein Inspekteur es zuvor begutachtet hat. Doch die Betreiber der Esel-Schlachthäuser wehrten sich gegen diese Entscheidung und konnten vor Gericht erwirken, dass die Verordnung des Landwirtschaftsministeriums für ungültig erklärt wurde, da sich das Landwirtschaftsministerium aus unbekannten Gründen gegenüber dem Gericht nicht, wie es aufgefordert war, zu seiner Entscheidung äußerte.
Zwischen dem Landwirtschaftsministerium und den Schlachthausbetreibern herrscht momentan eine Patt-Situation. Zwar ist die Verordnung aus dem Februar außer Kraft, doch hält die Veterinärbehörde ihre Inspekteure weiterhin zurück, weshalb derzeit keine Esel geschlachtet werden dürfen.
Große Sorgen bereitet uns die Situation der Esel, die sich seit Monaten auf dem Gelände der Schlachthäuser befinden. Unmittelbar nachdem das Gericht die Direktive des Ministeriums für ungültig erklärt hatte, kaufte das Schlachthaus in Naivasha direkt 300 neue Esel, die auf dessen Gelände untergebracht wurden. Derzeit können wir keine gesicherten Informationen erhalten, ob und inwiefern sie ausreichend versorgt und tiermedizinisch behandelt werden. Das Wissen um die von uns im vergangenen Jahr dokumentieren, verheerenden Zustände in und um die Schlachthäuser lässt uns jedoch aktuell von einer vergleichbaren Situation ausgehen.
Ein weiteres Schlachthaus – in Lodwar im Norden Kenias – umgeht derweil bereits die gesetzlichen Hürden zur Schlachtung von Eseln und nutzt eine Gesetzeslücke: Denn während das Schlachten von Eseln für Exportzwecke weiter untersagt ist, behaupten die Schlachthausbetreiber, dass sie für den lokalen Bedarf an Eselfleisch produzieren würden, der von chinesischen Gastarbeiter*innen in der Region ausgehe. Nach Informationen unserer Partner vor Ort gelangt aktuell eine große Zahl von Eseln aus einem Umkreis von hunderten Kilometern nach Lodwar. Auch Esel aus dem Schlachthaus in Naivasha, das demselben chinesischen Betreiber wie das in Lodwar gehört, sollen sich darunter befinden. Unklar ist derzeit, was mit den Häuten der geschlachteten Esel passiert und ob der Gesetzgeber willens und in der Lage ist, den neuerlichen Betrieb des Schlachthauses zu unterbinden. Lokale Eselbesitzer*innen demonstrieren bereits lautstark gegen diese ernüchternde Entwicklung.
Sicher erscheint im Moment nur: Die Zukunft der Eselschlachthäuser kann allein vor Gericht entschieden werden.
Derzeit versuchen die Schlachthausbetreiber, den erneuten Einsatz von Inspekteuren einzuklagen, um wieder Esel schlachten zu können. Auch die ursprüngliche Verordnung von Landwirtschaftsminister Munya ist weiterhin vor Gericht anhängig, allerdings will das Gericht dieses Thema erst im neuen Jahr erneut verhandeln.
Medienoffensive der Schlachthäuser
Während die lokale Bevölkerung um die Zukunft ihrer Esel bangen muss, sind die Betreiber der Esel-Schlachthäuser sehr aktiv, die öffentliche Meinung in Kenia zu ihren Gunsten zu beeinflussen. In Medienberichten verbreiten sie die Meldung, dass sich die temporäre Schließung der Schlachthäuser angeblich verheerend auf die lokale Wirtschaft auswirke und vor Ort zu Arbeitslosigkeit führe. Dabei wird jedoch vollkommen aus dem Blick gelassen, dass der Diebstahl von Eseln tausende Menschen im ganzen Land in existentielle Nöte gebracht hat. Im Rahmen unserer Studien zu den Esel-Schlachthäusern in Kenia zwischen Dezember 2018 und Juli 2019 befragten wir dazu die Menschen in den umliegenden Gemeinden. Sie bestätigten, dass sie die Esel-Diebstähle in große Nöte brächten, da sie nun z.B. viel Geld für Transportdienstleistungen zahlen müssten, die vorher ihre Esel verrichtet hatten. Außerdem ist der Neuerwerb von Eseln für viele zu teuer geworden, so dass besonders jungen Menschen Erwerbsmöglichkeiten (z.B. indem sie selbst Transportdienstleistungen anbieten) verloren gehen.
Immer wieder werden von unterschiedlichen Seiten auch Anstrengungen zur verstärkten Zucht von Eseln angepriesen, um einer vermeintlich nachhaltigen Lösung für die Fortführung des Geschäfts das Wort zu reden. Angesichts der geringen Fortpflanzungsrate der Tiere und dem hohen Ressourcenverbrauch solcher Zuchtversuche sehen wir als Welttierschutzgesellschaft darin keine nachhaltige Lösung des Problems.
Ausschlaggebend dafür sind vor allem drei Aspekte:
- Esel reagieren besonders sensibel darauf, wenn viele von ihnen auf engem Raum untergebracht sind. Diese dauerhafte Stresssituation wirkt sich auch negativ auf ihre Fortpflanzung auf.
- Grundsätzlich bringen Stuten nach etwa einjähriger Tragzeit meist nur ein Fohlen zur Welt. Die Fortpflanzungsrate der Tiere kann mit dem enormen Bedarf an Eselshäuten aus China somit nicht Schritt halten.
- Große Eselherden benötigen erhebliche Mengen an Futter und Wasser, die in von Extremwetter geplagten Regionen wie Ostafrika schlicht nicht zuverlässig zur Verfügung stehen.
Der Streit um die Esel-Schlachthäuser hat inzwischen auch chinesische Staatsmedien wie China Daily erreicht – mit einer leider einseitigen Positionierung zugunsten der Schlachthäuser. Das ist wenig verwunderlich, denn die Weiterverarbeitung der aus Kenia exportieren Eselhäute findet hauptsächlich in China statt. Die Eselbestände sind dort in den letzten Jahren bereits massiv eingebrochen, so dass ein hohes Interesse besteht, Eselhäute in großen Mengen aus Ländern wie Kenia zu importieren. In dem Bericht von China Daily verharmlost der chinesische Betreiber von Goldox Kenya Limited, dem größten Eselschlachthaus Kenias im Bezirk Baringo, die Größe des Problems. Angeblich würden dort im Vollbetrieb lediglich 100 Tiere pro Tag geschlachtet – ein klarer Widerspruch zu unserer Dokumentation 2019, bei der eine Schlachtmenge von bis zu 250 Tieren pro Tag festgestellt wurde. Ebenso bleiben in den Appellen der Betreiber die dargestellten verheerenden Bedingungen für die Tiere ungenannt: hunderte Tiere, die auf dem Gelände oft mehrere Tage bis zur Schlachtung verbrachten, waren ohne Zugang zu Futter und Wasser; Esel wiesen schwere Verletzungen auf, waren ohne medizinische Versorgung und wurden unter katastrophalen und gesetzeswidrigen Zuständen geschlachtet.
Wir sind in ständigem Austausch mit unseren Kontaktpersonen in Kenia, um über die aktuelle Entwicklung informiert zu bleiben und auch Sie, liebe Tierfreundinnen und Tierfreunde, auf dem Laufenden zu halten. Bitte seien Sie versichert: Wo immer möglich, werden wir uns weiterhin aktiv für den Schutz der Esel in Kenia und ihren Nachbarländern einsetzen.
Die Esel Ostafrikas brauchen Sie jetzt!
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