Behornte Kuh auf der Weide
|

Hof Mahlitzsch: Ammenkühe

Die Landwirte Christine und Nikola Burgeff betreiben in Mahlitzsch, 40 km westlich von Dresden, einen Demeter-Hof. Gemeinsam mit zwei weiteren Familien haben sie im Jahr 1993 eine Betriebsgemeinschaft gegründet, betreiben Acker-  und Gemüsebau, haben einen eigenen Hofladen und halten 75 Milchkühe der Rasse Fleckvieh. Katharina Tölle war im Rahmen der »KUH+DU Kampagne vor Ort und sprach mit Nikola und Christine Burgeff über ihre Herde, gesunde Kühe und die Bedürfnisse der Tiere.

„Über die Kopfstellung unterhalten sich die Tiere.“

Katharina Tölle: „Was auf Ihrem Hof sofort auffällt: Bei Ihnen tragen alle Milchkühe Hörner. Das ist heute eine Seltenheit. Die meisten Landwirte, auch Bio-Bauern, sind der Meinung, dass eine Kuh ihre Hörner nicht braucht. Die meisten werden im Kälberalter routinemäßig enthornt. Wie bewerten Sie das?“

Christine Burgeff: „Wenn man die Hörner entfernt, nimmt man der Kuh etwas Wesenhaftes. Hörner sind wichtig, sie geben Signale und dienen der Verständigung. Über die Kopfstellung unterhalten sich die Tiere. Die Hörner brauchen sie für das Selbstverständnis und zur Kommunikation. Und wenn Sie einmal gesehen haben, wie eine Kuh ihr geschlossenes Auge am Horn einer anderen reibt, weil es juckt, wird schnell klar, dass Hörner keine Waffen sind.“

Katharina Tölle: „Der angeführte Hauptgrund für „notwendige“ Enthornungen seitens der Landwirte und Verbände ist, dass Hörner eine erhöhte Verletzungsgefahr für Tier und Mensch darstellen.“

Christina Burgeff: „Gelegentliche Verletzungen gehören dazu, die Tiere stecken das weg. Kühe verletzen sich in dem Moment, wo nicht genug Platz da ist und es Sackgassen im Stall gibt. Aber das sind alles von Menschen gemachte Situationen. Ein Landwirt muss sich folgende Fragen stellen: Wie sind die Gänge konzipiert? Wie ist der Stall aufgebaut? Wie können Stressmomente vermieden werden?“

Behornte Kuhherde auf der Weide
Behornte Kuhherde auf der Weide

Bei den Burgeffs tragen die Milchkühe stolz ihre Hörner und sind von Frühjahr bis Herbst Tag und Nacht auf der Weide.

Nikola Burgeff: „Dass sich Kühe gegenseitig verletzen und deswegen enthornt werden müssen, ist eine vorgeschobene Geschichte. Es geht um die viel zitierte Gewinnmaximierung, weil ohne Hörner mehr Kühe in den Stall passen. Eine Kuh mit Hörnern braucht eine Privatsphäre im Radius von 2,80 Metern. Ohne Hörner verkleinert sich der Radius auf einen halben Meter. Das macht natürlich wirtschaftlich gesehen einen großen Unterschied.“

Katharina Tölle: „Was halten Sie eigentlich von Hornkugeln für behornte Milchkühe, um Verletzungen vorzubeugen?“

Nikola Burgeff: „Naja, vereinzelt kann es vielleicht sinnvoll sein, wenn Sie eine aggressive Kuh in der Herde haben. Aber wenn eine ganze Herde solche Hornkugeln braucht, ist es ein Zeichen dafür, dass da was nicht stimmt und der Mensch etwas falsch macht.“

„Unter den Ammenkühen gibt es unterschiedliche Muttertypen. Es gibt immer eine ‚Favoritin‘.“

Katharina Tölle: „Frau Burgeff, Sie betreiben seit vielen Jahren die ammengebundene Kälberaufzucht. Warum haben Sie sich für diese Aufzuchtform entschieden?“

Christine Burgeff: „Am Anfang, vor zwanzig Jahren, hatten wir noch einen Anbindestall und haben die Kälber mit Eimern getränkt. Aber wenn da die Temperatur der Milch nicht stimmte, bekamen die Kälber Durchfall und waren sehr geschwächt. Als wir dann 1996 unseren Laufstall gebaut haben, hatten wir mal eine Ammenkuh und haben gesehen, wie schön es ist, wenn die Kälber bei der Kuh stehen und saugen. Das Erlebnis ist klasse! Die Tiere sind zufrieden. Da habe ich für mich festgestellt, dass ich es so machen will. Durch die Ammen sind die Kälber gesünder und stabiler. Sie haben Sozialkontakte. Die Temperatur der Milch ist richtig und sie saufen, wenn sie hungrig sind. Durchfall gibt es nicht, und wenn doch mal, dann ist er schnell wieder gut.“

Katharina Tölle: „Zu welchem Zeitpunkt kommen die Kälber zu den Ammen?“

Christine Burgeff: „Die Kälber bleiben drei bis vier Tage bei ihren Müttern und trinken die gesunde Biestmilch. Für die Mütter ist das auch gut für die Gebärmutterrückbildung, wenn die Kälber einige Zeit bei ihnen saugen. Direkt danach kommt das Kalb zu einer Amme. Einzelhaltung gibt es bei uns zu keinem Zeitpunkt.“

Ammenkuh auf der Weide blickt in die Kamera
Ammenkuh auf der Weide blickt in die Kamera

Eine der Ammenkühe auf der Weide, im Hintergrund liegen die Kälber im Gras. Eine Gruppe besteht aus zwei bis drei Ammen mit fünf bis sechs Kälbern.

Katharina Tölle: „Wie groß ist der Trennungsschmerz von der Mutter?“

Christine Burgeff: „In der Wildnis liegen Kälber auch erst mal separat. Erst wenn die Bindung stabil ist, wird das Kalb in die Herde eingebunden. So ist es auch auf dem Hof nicht jedes Mal gleich ein Drama, wenn ein Kalb von der Mutter getrennt wird. Ab dem Moment, wo es zum ersten Mal bei seiner neuen Amme getrunken hat, ist der Trennungsschmerz überwunden. Die eigentliche Mutter dagegen kann schon mal ein bis zwei Tage unglücklich sein, wir versuchen die Trauer mit homöopathischen Mitteln zu lindern.“

Katharina Tölle: „Wie lange bleiben die Kälber bei den Ammen?“

Christine Burgeff: „Bei den Ammen bleiben die Kälber 100 bis 120 Tage. Dann haben sich ihre Mägen ausgebildet und sie brauchen keine Milch mehr.“

Katharina Tölle: „Wie reagieren die Ammenkühe auf die Kälber?“

Christine Burgeff: „Unter den Ammenkühen gibt es unterschiedliche Muttertypen. Es gibt immer eine ‚Favoritin‘. Das ist wie bei uns Menschen. Manche genießen es, anderen ist es irgendwann unangenehm. Manche Kühe machen bei der Ammen-haltung gar nicht mit. Andere wiederum brummen, sobald die Kälber saugen, als ob sie selbst gerade ein Kalb bekommen hätten.“

Katharina Tölle: „Was würden Sie anderen Landwirten empfehlen, die alternative Aufzuchtformen betreiben wollen?“

Christine Burgeff: „Man braucht jemanden, der Spaß daran hat und auch die Zeit dafür aufbringen kann. Man muss den Milchbedarf im Blick haben, ob die Kälber genug Milch kriegen oder sich ein Euter nicht leert. Das braucht mehr Aufmerksamkeit. Die baulichen Voraussetzungen sind auch wichtig. Man muss sich individuell die Höfe angucken, um zu sagen, wo es passt. Wichtig ist ein Kälberschlupf, wo die Kälber auch mal für sich sein können und wohin sie sich zurückziehen können. Rückblickend ist bei unserer Ammenkuhhaltung alles gut gegangen. Damals war es ein Sprung ins kalte Wasser. Jetzt merken wir: Es ist etwas Besonderes.“

Im »zweiten Teil des Interviews erfahren Sie, was die Burgeffs zur Gesundheit der Milchkühe zu sagen haben, wie sie dem Einsatz von Kraftfutter gegenüberstehen und wie ihrer Meinung nach Veränderungen in der Milchkuhhaltung herbeigeführt werden können.

Die vergessenen Milchkühe: Helfen Sie!

Bitte unterstützen Sie uns bei unserer Kampagnenarbeit mit Ihrer Spende!

Jetzt spenden