Mensch-Wildtier-Konflikte eindämmen – nur wie?

Die Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren nehmen weltweit zu. In unseren Projekten als Welttierschutzgesellschaft engagieren wir uns zum Beispiel in Indonesien, um das friedliche Zusammenleben der Menschen mit Sumatra-Elefanten zu ermöglichen und die Tiere so zu schützen. Doch auch in Deutschland wächst die Sorge um eine Zunahme von Mensch-Wildtier-Konflikten: Vor allem Halter*innen von Weidetieren wie Schafen treiben angesichts wachsender Wolfsbestände den öffentlichen Diskurs zum Thema voran.

Mensch-Wildtier-Konflikt: Was ist das?

Einer Expert*innengruppe der Weltnaturschutzunion zu Folge handelt es sich um einen Mensch-Wildtier-Konflikt, wenn Tiere eine direkte und wiederkehrende Gefahr für die Sicherheit oder den Lebensunterhalt der Menschen darstellen und deshalb von diesen verfolgt werden. Als Welttierschutzgesellschaft fehlt uns in dieser auf den Menschen fokussierten Definition jedoch die gleichwertige Darstellung der Bedürfnisse der Tiere.

Quelle: HWC

Mensch-Wildtier-Konflikt: Was sind die Gründe?

Die Gründe für das Auftreten der Konflikte sind vielzählig: So werden u.a. aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und des fortschreitenden Klimawandels die Lebensräume der Wildtiere immer kleiner, was ein verstärktes Aufeinandertreffen mit dem Menschen und entsprechende Auseinandersetzungen nach sich zieht. Da das Problem eher noch zunehmen wird, ist es nötiger denn je, über Lösungen und Strategien zu beraten, damit die Bedürfnisse von Menschen und Wildtieren global und langfristig in Einklang gebracht werden können.

Konferenz zum Thema Mensch-Wildtier-Konflikt: Das tut sich!

Besonders betont hat die Notwendigkeit für Lösungen Ende 2022 auch die UN-Weltnaturkonferenz (COP15) in Montreal, die erstmalig alle Mitgliedsstaaten aufgefordert hat, aktiv zur Bewältigung von Mensch-Wildtier-Konflikten beizutragen. Wie diese gewaltige Aufgabe gelingen kann, war Gegenstand der ersten internationalen Konferenz unter dem Dach der Weltnaturschutzunion, die sich ausschließlich dem Thema Mensch-Wildtier-Konflikte gewidmet hat. Ende März kamen auf Initiative der Expertengruppe „Mensch-Wildtier-Konflikt und -Koexistenz“ der Weltnaturschutzunion an der englischen Oxford University mehr als 500 Expert*innen aus 70 Ländern zusammen. Unter den Teilnehmenden aus Politik, Wissenschaft und NGO-Welt war auch Daniela Schrudde, Leiterin der Tierschutzarbeit bei der Welttierschutzgesellschaft. Im Gespräch geht sie darauf ein, was die zentralen Punkte der Konferenz waren und warum Tierschutz bei diesem Thema mitbedacht werden muss.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die Du aus den Konferenztagen mitnehmen konntest?

Vor allem zwei Themen sind immer wieder durchgeklungen: Zum einen sind Mensch-Wildtierkonflikte bei genauem Hinsehen oftmals eigentlich Mensch-Mensch-Konflikte. Zum anderen gehören zu einer friedlichen Koexistenz beide Seiten – Wildtiere und Menschen – und auch die Menschen müssen kompromissbereit sein.

Kannst Du diese beiden Aspekte näher erläutern?

Bei Mensch-Wildtier-Konflikten sehen wir vor Ort oftmals nur die Symptome. Ein Beispiel ist unser Projekt im Way Kambas Nationalpark in Indonesien, wo wir uns u.a. dafür einsetzen, dass die Elefanten von der lokalen Bevölkerung akzeptiert werden, und wir zu diesem Zwecke daran arbeiten, durch Elefanten verursachte Ernteschäden zu vermeiden – die Symptome also. Blicken wir aber auf die Entstehung dieser Konflikte, dann können wir erkennen, dass der Ausgangspunkt der Mensch ist. Durch die großen Ölpalmplantagen auf Sumatra wurden die Flächen der lokalen Farmer*innen knapper, auf denen sie ihre Feldfrüchte anbauen konnten. Das hat sie vermehrt in die Grenzgebiete des Nationalparks gezogen, also in die unmittelbare Nachbarschaft des Nationalparks, der für die Elefanten zur Verfügung gestellt wird. Dadurch sind die Konflikte vor Ort dann entstanden.

Hintergrund: Friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Sumatra-Elefanten

Im Way Kambas Nationalpark im Süden der indonesischen Insel Sumatra gibt es noch weniger als 200 freilebende Elefanten. Verlassen die Dickhäuter die natürlichen Grenzen des Nationalparks, drohen die Ernten der Bäuerinnen und Bauern zerstört zu werden. Mit Einbindung der lokalen Bevölkerung sind wir mit unserer Partnerorganisation Community for Sumatra Nature Conservation (CSNC) für die Elefanten tagtäglich im Einsatz. Mittlerweile durchstreifen vier sogenannte Elephant Response Units (ERUs), bestehend aus insgesamt 27 zahmen Elefanten und ihren Führern, den Mahouts, die Grenzgebiete zwischen Nationalpark und Farmland. Treffen die zahmen Elefanten auf ihre wilden Artgenossen, drängen sie diese zunächst durch ihre eigene Kommunikation zurück. Wenn das nicht hilft, werden die freilebenden Tiere mit Feuerwerk und Lärm zurück in den Wald getrieben. Außerdem unterstützen die Mahouts die lokale Bevölkerung bei der nächtlichen Bewachung der Felder. Ernteverluste der Bauern sowie Verletzungen und Todesfälle bei Menschen wie Elefanten konnten durch das Projekt in den vergangenen Jahren drastisch reduziert werden, während die Akzeptanz der Menschen gegenüber den Tieren gleichermaßen wuchs.

Um eine Koexistenz (also das friedliche Zusammenleben) zu ermöglichen, verlangen wir den Tieren viel ab, wenn ihr Lebensraum zum Beispiel auf bestimmte, geschützte Gebiete begrenzt wird

Welche konkreten Lösungswege für Mensch-Tier-Konflikte wurden aufgezeigt?

Ein ganz wichtiger Aspekt: Die Erfahrungen der lokalen Bevölkerung müssen in den Mittelpunkt rücken. Ein Vertreter der Pastoralist*innen hat dies gut auf den Punkt gebracht: Die Menschen vor Ort leben seit Generationen mit Wildtieren zusammen. In den allermeisten Fällen funktioniert die Koexistenz von Menschen und Wildtieren. Es sind die wenigen Situationen, in denen es zu schwerwiegenden Konflikten kommt, die wir uns näher ansehen müssen. Aus diesen Fällen sollten wir lernen, wie Kompromisse für ein friedliches Zusammenleben erreicht werden können.

Wo die Probleme noch größer sind, müssen wir immer auf einen dauerhaften Bewusstseinswandel bei den Menschen hinarbeiten: die Wildtiere in ihrer Lebensweise zu respektieren und Lösungswege einzuschlagen, die den Bedürfnissen aller gerecht werden. Hier wiederum sind auch wir als internationale Tierschutzorganisation gefordert: Wir sind für die Tiere da und dafür sind die Menschen vor Ort unsere Partner, um gemeinsam ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Wildtier zu erreichen. Dafür müssen wir alle zusammen bei der Planung und Begleitung der Projekte sehr genau hinschauen und zuhören, um die Konflikte zu ergründen und bei Lösungen auch die Bedürfnisse von Mensch und Tier mitzudenken.

Welche Aspekte wurden bei der Konferenz weniger betrachtet, ist aber dennoch wichtig?

Ich hätte mir gewünscht, dass die globalen Faktoren, die Interessenkonflikte zwischen Menschen und Wildtieren vor Ort befeuern, noch stärker betont worden wären. Wenn wir noch einmal auf das Thema Palmöl zurückkommen: Ein Grund, weshalb die Interessenkonflikte auf Sumatra überhaupt so aufgebrochen sind, ist natürlich die große internationale Nachfrage nach Palmöl zur Verwendung in vielen Lebens- und Gebrauchsmitteln. Das Beispiel zeigt, dass wir alle in unserem Alltag durch eine bewusstere Lebensweise dazu beitragen können, dass global betrachtet Mensch-Wildtier-Konflikte gar nicht erst so massiv auftauchen.

Außerdem fiel mir als Tierschützerin natürlich auf, dass im neuen Leitfaden der Weltnaturschutzunion für den Umgang mit Mensch-Wildtier-Konflikten, der im Rahmen der Konferenz vorgestellt wurde, Fragen des Tierschutzes erst wenig berücksichtigt sind. Ziel sollte es sein, dass bei allen Problemanalysen und Lösungsstrategien die natürlichen Bedürfnisse der Wildtiere genauso mitbedacht werden wie die Bedürfnisse der Menschen.

Diesen Aspekt habe ich auf der Konferenz an verschiedenen Stellen angesprochen und wir werden uns als WTG dafür einsetzen, dass Fragen des Tierwohls bei dieser Thematik stärker berücksichtigt werden.

War diese Konferenz dem Thema förderlich?

Unbedingt. Es braucht bei diesem Thema mehr Austausch und Vernetzung. An vielen Orten der Welt wird an der Eindämmung von Mensch-Wildtier-Konflikten gearbeitet, aber zu wenig Wissen darüber geteilt, was funktioniert und vor allem auch was nicht funktioniert. Da hat die Konferenz, die künftig in regelmäßigen Abständen stattfinden soll, etwas ins Rollen gebracht.

Sie möchten mehr über Konferenz der Expert*innengruppe „Mensch-Wildtier-Konflikt und -Koexistenz“ erfahren? Die Webinare der Konferenz im März 2023 können Sie hier nachträglich ansehen: https://www.youtube.com/@iucn_ssc_hwcc_sg

Liebe Tierfreundinnen und Tierfreunde, erfahren Sie Näheres, wie wir auf Sumatra gemeinsam mit lokalen Partnern Mensch-Wildtier-Konflikte eindämmen – zum Wohle von Menschen und Elefanten. Bitte unterstützen Sie diese wichtige Arbeit mit einer Spende.

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