Wilderei ist auch in Deutschland ein Problem

Wilderei in Deutschland

Der Begriff Wilderei weckt bei vielen den Gedanken an ferne Länder und seltene Tierarten. Doch die illegale Tötung von Wildtieren wie Wölfen, Luchsen, Fischottern, Greif- und Singvögeln ist auch in Deutschland ein Problem. 1.020 angezeigte Fälle von Wilderei weist die polizeiliche Kriminalstatistik für 2017 aus. Und die Dunkelziffer ist hoch.

In Teilen Bayerns, wo Luchse ausgestorben waren, versuchten Natur- und Umweltschützer über Jahre, die Tiere wieder anzusiedeln. Doch richtig Fuß fassen konnten die Tiere hier laut BUND Naturschutz in Bayern bisher nicht. Die Bestandszahlen stagnieren, Experten gehen von 20 bis 30 erwachsenen Exemplaren im Bayerischen Wald aus. Denn immer wieder werden diese unerlaubt getötet – seit 2010 mindestens acht der Tiere. So auch Luchs Alus, den man im September 2017 mit abgetrenntem Schädel und Vorderläufen sowie Geschossteilen im Oberkörper in Oberbayern auffand. Er war erst 2014 ausgewildert worden.

Der Abschuss geschützter Arten wie Luchs, Wildkatze, Biber, Uhu und Wolf stellt nicht nur eine Bedrohung für das einzelne Tier, sondern auch für die Artenvielfalt dar, denn die illegale Tötung eines Tieres kann den Tod weiterer Artgenossen verursachen. Dies ist vor allem bei Muttertieren der Fall. Der Nachwuchs – alleingelassen und nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen – verhungert.

Der Wolf ist in Teilen Deutschlands wieder heimisch geworden. Auch er ist Opfer von Wilderei.
©Fotografie Daniel Ziegler / Flickr

Wilderei ist kein Kavaliersdelikt

Die Gesetzeslage hierzulande sieht Jagdwilderei als eine schwerwiegende Straftat an, so besagen es »Paragraph 292 des Strafgesetzbuchs sowie die Paragraphen 4 und 17 »des Tierschutzgesetzes. Demzufolge ist das Nachstellen, Fangen, Erlegen oder die Zueignung eines Wildtieres unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts mit bis zu drei, in besonders schweren Fällen mit bis zu fünf Jahren Haft unter Strafe gestellt.
Doch lediglich in rund 30 Prozent der angezeigten Fälle wird ein Täter ermittelt. So bleibt der Großteil der Wildereidelikte unaufgedeckt und letztlich unklar, weshalb das Wildtier in Deutschland sterben musste.

Was treibt die Täter an?

Vermutungen dazu gibt es einige. „Das ist der Kick, auf ein lebendes Wesen zu schießen“, äußert Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt gegenüber der WELT. Auch Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, äußert gegenüber der Tageszeitung, dass die Täter von der Lust am Morden angetrieben würden: „Da geht es um das Töten um des Tötens willens“. Bestätigung findet diese These durch einige wenige bekennende Wilderer, die zugeben, es gehe um den Nervenkitzel, etwas Ungesetzliches zu tun.

„Trophäenjagd kann nur in wenigen Fällen eine Rolle spielen“, meint Daniela Schrudde, Programmdirektorin Tierschutz bei der Welttierschutzgesellschaft. Denn häufig werden die Tiere noch am Ort des Vergehens zurückgelassen oder gezielt am Straßenrand abgelegt, um den Tod als Verkehrsunfall zu fingieren. In diesen Fällen geht man davon aus, dass wirtschaftliche und ideologische Interessen die Wilderer antreiben.

Eine weitere Motivation für das illegale Erbeuten des Wildbrets stellt der Eigenverbrauch oder Verkauf dar. Wildfleisch erfreut sich großer Beliebtheit: Laut Deutschem Jagdverband (DJV) verzehrten die Deutschen im Jagdjahr 2017/2018 knapp 36.000 Tonnen Fleisch von Wildschwein, Reh und Hirsch – am liebsten aus regionaler Herkunft. Den damit verbundenen hohen Preis sind viele Konsumenten und Einzelhändler bereit zu zahlen, doch der Markt kann die enorme Nachfrage an heimischem Wildbret nur zu rund fünfzig Prozent decken. Dementsprechend stehen die Absatzchancen für Wilderer gut. Zudem ist es für sie recht unkompliziert, ihre Beute zu verkaufen, da bei der Abgabe kleiner Mengen unzerlegten Wildfleisches* an den Endverbraucher oder Einzelhandelsbetriebe keine offizielle Registrierung bei der Veterinärbehörde vorgeschrieben ist.

In einigen Fällen sollte auch der Mensch-Tier-Konflikt in Betracht gezogen werden: Ein Landwirt, der Übergriffe auf seine Nutztiere durch den Luchs fürchtet, ein Jäger, der das Tier als unerwünschten Konkurrenten bei der Rehwildjagd sieht, Angler oder Fischzüchter, die den Fischotter, der sich von Fischen ernährt, als Rivalen sehen oder ein Tauben- und Geflügelzüchter, um ein weiteres trauriges Beispiel zu nennen, der seine Tiere durch Greifvögel bedroht sieht.

Der Wolf ist in Teilen Deutschlands wieder heimisch geworden. Auch er ist Opfer von Wilderei.
© Marco Verch/ Flickr

Die Dunkelziffer gewilderter Tiere in Deutschland ist hoch

Um das Ausmaß der Wilderei in Deutschland besser einschätzen zu können und diese gezielt zu verfolgen, werden bereits einige Anstrengungen unternommen. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung untersucht zumindest alle in Deutschland verstorbenen Wölfe auf die Todesursache. Bei anderen geschützten Tieren erfolgt eine Obduktion in der Regel durch die lokal zuständige Behörde. Falls es Hinweise auf einen Tod durch Wilderei gibt, wird die Beweislage gesichert und gemeldet. Eine genaue Bezifferung der Fälle ist jedoch nicht möglich, denn nicht alle gewilderten Tiere werden überhaupt entdeckt. Bei jenen Tieren, die gefunden werden, kann oft leider nur festgestellt werden, dass sie durch den Einsatz nicht geeigneter Waffen wie kleinkalibriger Schusswaffen oder Armbrüste verletzt wurden und vermutlich erst Tage oder Wochen später verendeten.

Der Schädel eines totel Rehs. Es könnte der Wilderei zum Opfer gefallen sein.

Gut zu wissen: Der schmale Grat zwischen „Helfen“ und „sich der Wilderei schuldig machen“

Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet es, ein Wildtier aus der Natur zu entfernen, egal ob es tot oder lebendig ist. So macht sich, wer ein totes Tier mitnimmt (beispielsweise nach einem Unfall) der Wilderei schuldig und könnte angezeigt werden.
Eine Ausnahmeregelung gilt für kranke, verletzte und/oder hilflose Tiere: Sie dürfen vorübergehend aufgenommen werden, um sie tierärztlich versorgen zu lassen und gesund zu pflegen. Sobald sie genesen sind, müssen sie aber umgehend wieder freigelassen werden. Handelt es sich um Tiere streng geschützter Arten, u.a. Eichhörnchen und Igel, ist die Aufnahme des Tieres außerdem unverzüglich der Unteren Naturschutzbehörde zu melden.
Grundsätzlich gilt: Nicht alle aufgefundenen Tiere brauchen auch wirklich Hilfe.
Es kommt leider viel zu oft vor, dass vermeintlich hilfsbedürftige Wildtiere – gut gemeinter Weise – mit nach Hause genommen werden und dort versterben. Wildtiere haben sehr spezielle Anforderungen an Handhabung, Transport und Futter. Es ist daher immer ratsam, die Naturschutzbehörde oder eine lokale Wildtierstation zu kontaktieren, bevor man ein Tier aufliest.

Wilderei als gravierendes, kriminelles Problem anerkennen

Um Wilderei langfristig vorzubeugen ist es aus Sicht der Welttierschutzgesellschaft notwendig, dass diese in der Politik und in der Gesellschaft als gravierendes, kriminelles Problem erkannt und entsprechend behandelt wird. Hierzu muss zum einen die Strafverfolgung verbessert werden, beispielsweise durch Aufstockung von Personal und bessere Vernetzung der Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften, Landespolizeien, Bundeskriminalamt).

Zum anderen muss die Gesellschaft für das Thema sensibilisiert werden. Dies sollte unter anderem durch den Einsatz erfahrener Ermittler geschehen, die im Schulunterricht, bei Gemeindeversammlungen und anderen Veranstaltungen in den Dialog mit der Bevölkerung treten.

Was können Sie tun, um Wilderei aktiv zu bekämpfen?

– Informieren Sie sich und andere über das Thema.

– Stören Sie Wildtiere nicht und halten Sie Ihre Hunde beim Spaziergang unter Kontrolle.

– Seien Sie aufmerksam und informieren Sie bei Anzeichen potenzieller Wilderei die Polizei.

– Falls Sie ein totes Wildtier finden, nehmen Sie dieses niemals mit, denn damit machen Sie sich selbst der Wilderei strafbar. Es gilt auch hier, die Polizei zu kontaktieren, die dann entweder selbst ausrückt oder an die lokal zuständigen Fachkräfte vermittelt.

– Kaufen Sie niemals Wildtierprodukte geschützter Tiere, da Sie damit die Wilderei aktiv unterstützen.

Zum Weiterlesen und -sehen:
  • Datenbank der nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützten und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten: wisia.de
  • 1-stündige Sendung über Umweltverbrechen in Deutschland: »www.planet-wissen.de
  • Deutschland hat ein Wilderei-Problem. SPIEGEL ONLINE Wissenschaft über getötete Tiere in Deutschland: »www.spiegel.de
  • Deutschlands Tiere im Fadenkreuz der Wilderer. Ausführlicher Artikel von Spektrum.de: »www.spektrum.de
  • Unter anderem eine Liste geschützter Arten und ihres Schutzstatus: »Stiftung Artenschutz

++ Der Welttierschutzgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass dieser Artikel mit größter Sorgfalt recherchiert und erstellt wurde. Die Inhalte und Links werden allerdings nicht stetig aktualisiert und beziehen sich grundsätzlich immer auf den Stand der Recherche zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wenn Sie Anregungen oder Bemerkungen zum Artikel haben, nehmen Sie bitte mit uns Kontakt via info@welttierschutz.org Kontakt auf. ++

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