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#StopptTierleid: Neuer SMACC-Bericht

Wildtiere als Haustiere in sozialen Netzwerken: Ein Teufelskreis des Leidens

Wildtiere wie Affen, Tiger und Eidechsen werden für Likes und Kommentare in sozialen Medien psychisch und physisch gequält. Im Rahmen der Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC) wurde jetzt dokumentiert, dass Ersteller*innen als Haustiere gehaltene Wildtiere, darunter viele gefährdete Arten, für eine Steigerung ihrer Online-Popularität nutzen. Der Report:

Eine zensierte Version sowie den englischsprachigen Bericht finden Sie hier: https://www.smaccoalition.com/wild-pets-report.

Ein Report von SMACC

Im Bündnis „SMACC“ (deutsch für „Bündnis Tierleid in sozialen Netzwerken“) arbeiten wir mit weiteren internationalen Organisationen gemeinsam für ein Ende der bis dato uneingeschränkten Darstellung von Tierleid-Inhalten in sozialen Netzwerken. Wir bereiten Berichte und Dokumentationen über die Problematik von Tierleid-Inhalten unterschiedlicher Kategorien vor und machen diese der Öffentlichkeit in den jeweiligen Ländern zugänglich. Außerdem stehen wir gemeinsam im regelmäßigen Austausch mit Vertreter*innen der sozialen Netzwerke, um die Löschung der Inhalte sowie konkrete Veränderungen in den Gemeinschaftsstandards zu erwirken. Mehr dazu: »welttierschutz.org/stoppttierleid-smacc/.

Die „SMAC Coalition“, die sich aus rund 20 Tierschutzorganisationen wie der Welttierschutzgesellschaft zusammensetzt, hat den Social-Media-Trend zu Wildtieren als Haustiere untersucht. Dafür dokumentierten SMACC-Mitglieder zwischen September 2021 und Oktober 2022 860 Videos auf Facebook, YouTube, Instagram, TikTok und Twitter, die eine breite Palette von Wildtierarten zeigen, die von Menschen als Haustiere gehalten werden.

Die Videos, die auf Social Media Plattformen zu finden sind, zeigen mindestens 97 verschiedene Arten, die als Haustiere gehalten und entsprechend in sozialen Netzwerken dargestellt werden, darunter … 

  • Wildtiere wie Löwenjunge, die Windeln tragen,
  • Buschbabys in Babykleidung,
  • Affen, die mit Milchflaschen gefüttert werden,
  • Tiger, die an der Leine geführt werden,
  • und andere exotische Tiere, die als Haustiere gehalten werden.

Die Nutzer*innen dieser Plattformen teilen diese Aufnahmen häufig, kommentieren, wie „niedlich“ die Tiere aussehen, und fragen, wie sie selbst ein solches Tier erwerben können.

Der umfangreiche Bericht mit dem Titel “Wild animals ‚pets‘ on social media: a vicious cycle of suffering” (zu Deutsch: „Wildtiere als Haustiere in den sozialen Medien: Ein Teufelskreis des Leidens“) kritisiert zudem, dass durch diese Videos die Haltung von Wildtieren als Haustiere normalisiert werde könnte, was zu einem Anstieg der Nachfrage nach ihnen führen kann. Dies wiederum kann auch den Handel mit Wildtieren als Haustierefördern. Die sozialen Medien sind über die letzten Jahre zu einer wichtigen Triebkraft für den Handel mit Wildtieren geworden, da sowohl der legale als auch der illegale Handel online stattfindet.

Wir von der Welttierschutzgesellschaft (WTG e.V.) sagen:

  • “Diese Inhalte gefährden die weltweiten Bemühungen um mehr Tierschutz. Die Betreiber*innen der sozialen Netzwerke müssen dringend Verantwortung übernehmen.“

Virale Trends, die oft auch durch Prominente oder Influencer*innen verstärkt werden, haben zudem zu einer weit verbreiteten Fehlinformation über die Eignung von Wildtieren als Haustiere geführt. Reichweitenstarke Videos zeigten Plumploris, die gekitzelt werden und daraufhin ihre Arme heben. Expert*innen haben darauf hingewiesen, dass dies zwar spielerisch erscheinen mag, in Wirklichkeit aber ein Abwehrverhalten ist. Dieser als harmlos fehlinterpretierte Inhalt birgt auch die Gefahr, dass die Nachfrage nach dem Fang und dem Verkauf der Tiere für den Heimtierhandel und derartige Handlungen steigt. 

Die federführende SMACC-Koordinatorin Nicola O’Brien erklärt:

  • „Die meisten Menschen, die sich solche Videos in den sozialen Medien ansehen, sehen nicht, wie viel Grausamkeit gegen Tiere verübt wird. Abgesehen davon, dass die Untauglichkeit eines menschlichen Zuhauses für ein Wildtier physische und psychische Schäden verursacht, unterstützt der Erwerb der Tiere einen gefährlichen und oft illegalen weltweiten Handel, der den Tierschutz und den Schutz gefährdeter Arten bedroht. Dies ist der Teufelskreis des Leidens, der hinter diesen Videos steht.“

Das Streben nach „Likes“ und „Shares“ kann zudem die Ersteller*innen dazu veranlassen, immer neue vermeintlich unterhaltsame Inhalte mit ihren Tieren zu inszenieren. Viele Videos zeigen beispielsweise, wie Wildtiere in menschliche Kleidung gekleidet werden, „menschliche“ Verhaltensweisen aufweisen oder in unpassende Umgebungen gebracht werden. Einige der Aktionen sind auch für die beteiligten Menschen potenziell riskant. In einem Video nimmt eine Frau ein Tigerbaby mit in ein Fitnessstudio. Andere zeigen Krokodile, die mit Kindern zusammenleben, und Menschen, die mit ausgewachsenen Tigern schwimmen.

Leider wird in vielen Videos die körperliche Misshandlung von Tieren auf die Spitze getrieben. Oft werden die Tiere von ihren Halter*innen auch geschlagen und geohrfeigt, um sie scheinbar zu „disziplinieren“. Beunruhigenderweise bringen die Ersteller*innen die Tiere in gefährliche Situationen, um ihre Reaktionen zu filmen, und riskieren dabei, dass die Tiere ertrinken, ersticken oder verletzt werden.

Alle diese Videos wurden auf den Social Media Plattformen gemeldet, aber die große Mehrheit ist zum Zeitpunkt der Berichterstattung immer noch zugänglich.

Mitglieder von SMACC wie auch die Welttierschutzgesellschaft haben sich an eine Reihe von Social Media Plattformen gewandt und sie aufgefordert, solche Inhalte zu entfernen, und ihnen angeboten, sie bei der Verbesserung ihrer Richtlinien zu unterstützen. Bisher haben Meta und TikTok Gesprächen zugestimmt, andere Plattformen haben nicht reagiert. SMACC berichtet, dass nur sehr langsam Fortschritte erzielt werden, da sich die Social Media Plattformen ihrer Verantwortung entziehen.

O’Brien:

  • “Social Media Plattformen tun nicht genug, um mit den riesigen Mengen an Inhalten umzugehen, die Tierquälerei auf ihren Plattformen darstellen. Sie verlassen sich darauf, dass die Öffentlichkeit ihnen anstößige Inhalte meldet, entfernen diese aber trotzdem nicht. Sie handeln außerdem nicht, um beispielsweise automatisch Inhalte  mit grobem Missbrauch zu erkennen [z.B. über bereits vorhandene Technologien, die entsprechend programmiert werden könnten] und so ihre eigenen Richtlinien einzuhalten. Unser Bericht zeigt, dass ihre Untätigkeit zu einem Teufelskreis der Grausamkeit für als Haustiere gehaltene Wildtiere führt, und wir fordern sie dringend auf, sich nicht länger ihrer Verantwortung zu verweigern und endlich Maßnahmen zu ergreifen.“

Der Bericht in ganzer Länge finden Sie deutschsprachig hier:

Eine zensierte Version sowie den englischsprachigen Bericht finden Sie hier: https://www.smaccoalition.com/wild-pets-report.

  • VIDEO-LINKS INSGESAMT: 

860

  • VIDEO-AUFRUFE INSGESAMT: 

11.806.630.205 (fast Milliarden)

  • DIE AM HÄUFIGSTEN GEZEIGTEN TIERE:

Primaten: 76 % (davon Makakenarten 60 %)

Wildkatzen (Tiger und andere Wildkatzen): 8%

Reptilien und Amphibien: 2,6%

  • DIE MEISTEN REGISTRIERTEN KONKRETEN MISSBRÄUCHE:
Vorsätzliche psychologische Folter24712,96%
Tiere als Entertainer23212,17%
Vorsätzliche körperliche Folter1678,76%
Mütterliche Entbehrung1658,66%
Grobe Behandlung1427,45%
  • ANZAHL DER ERFASSTEN SPEZIFISCHEN MISSBRÄUCHE: 

35

  • HÄUFIGSTE FÜNF SCHLÜSSELWÖRTER FÜR VIDEOTITEL:
Tier- oder Kanalname3709,26%
Affe3408,51%
Baby2496,23%
Mom / mommy1814,53%
Erwähnung eines Tieres942,35%

Die SMACC-Daten zeigen, dass Meta (Facebook und Instagram) und Youtube die Plattformen mit der höchsten Anzahl von Videos sind, die Wildtiere als Haustiere zeigen. Wir sind uns jedoch bewusst, dass diese Ergebnisse nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtverteilung solcher Inhalte auf den Social Media Plattformen sind, sondern eher die widerspiegeln, dass sie dort besonders leicht auffindbar sind.

Bei der Datenerhebung haben wir die Länder, aus denen die Inhalte stammten, nicht erfasst, da wir einerseits zeigen wollten, dass es sich um ein globales Problem handelt, das sich nicht nur auf ein Land oder eine Region konzentriert, und andererseits den Schwerpunkt auf die missbrauchten Tiere und die Arten der Grausamkeiten legen wollten, denen sie ausgesetzt waren. Tierquälerische Inhalte sind ein globales Problem, unabhängig davon, wo sie erstellt, hochgeladen oder geteilt werden, und die sozialen Medien kennen nur wenige Grenzen. Diese Inhalte sind überall auf der Welt zugänglich und werden überall konsumiert.

Wir wissen, dass es sehr entmutigend sein kann, keine oder nur enttäuschende Rückmeldungen von den Plattformen zu erhalten, und dass man angesichts ihrer offensichtlichen Untätigkeit versucht sein könnte, grausame Inhalte nicht mehr direkt über ihr Meldesystem zu melden. Wenn jedoch einzelne Meldungen nicht ausreichen, um eine Veränderung herbeizuführen, werden kontinuierliche und vereinte globale Bemühungen dazu beitragen, die Situation in die richtige Richtung zu bewegen. Aus diesem Grund sucht SMACC immer wieder das Gespräch mit den Social Media Plattformen, und es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit ihre Bemühungen fortsetzt, was wiederum unsere Arbeit im Hintergrund unterstützt. Es gibt noch viel zu verstehen, wie die Meldeprozesse hinter den Kulissen funktionieren, und wir ermutigen die Menschen, die Meldeoptionen weiterhin zu nutzen, während wir mit den Plattformen zusammenarbeiten, um ihre Richtlinien durchzusetzen.

Jede Social Media Plattform hat ihre eigenen spezifischen Richtlinien und Gemeinschaftsrichtlinien für das, was sie zulässt. Soweit uns bekannt ist, tauschen die Plattformen keine Nutzer*innen-Informationen aus, aus denen hervorgeht, wann ein*e Nutzer*in für das Hochladen nicht erlaubter Inhalte gesperrt wurde. Die Plattformen selbst haben noch keine Handhabe gegen tierquälerische Inhalte innerhalb ihrer eigenen Unternehmen, da wir gesehen haben, dass Videos trotz mehrfacher Meldung mit den eigenen Mitteln der Richtlinien weiterhin präsent bleiben und ganze Kanäle gesperrt werden, um dann unter einem anderen Namen auf derselben Plattform wieder zu starten.