Rumänische Regierung legitimiert Bärenabschuss

In den rumänischen Wäldern lebt die zweitgrößte Bärenpopulation auf dem europäischen Kontinent (nach Russland). Schätzungsweise soll es sich um rund 6.000 Braunbären handeln, eine wissenschaftlich fundierte Zählung der Braunbärenpopulation fand bislang jedoch nicht statt. Trotzdem wurde auf Grundlage dessen im Juli 2018 der Nationale Aktionsplan zum Schutz und Erhalt des Braunbären veröffentlicht, in dem die Jagd auf Bären wieder zulässig ist, und von der Regierung genehmigt. Vorausgegangen waren in den Monaten zuvor mediale Berichte über zunehmende Bärenangriffe auf Menschen, Siedlungen und Farmtiere in manchen Regionen Rumäniens. Die Welttierschutzgesellschaft kritisiert diese Entscheidung: Statt die Braunbären zum Abschuss freizugeben, müsse bei den wahren Ursachen der Mensch-Bär-Konflikte angesetzt werden.

Jagd auf Braunbären – Status Quo

Zwischen 1989 und 2016 wurden in Rumänien mehrere hundert Braunbären pro Jahr getötet – zuzüglich einer hohen Dunkelziffer an Abschüssen durch Wilderer. Starker öffentlicher Protest führte schließlich dazu, dass im Oktober 2016 das rumänische Umweltministerium die Jagdquote für Braunbären aussetzte.

Braunbaer in Rumaenien

Seitdem berichten Medien über eine steigende Zahl an Übergriffen von Bären auf Menschen. Ein rumänischer Lokalpolitiker spricht für den Kreis Harghita – gelegen im Nordosten der Region Siebenbürgen – von einer Verdoppelung der Bärenangriffe auf Menschen, Siedlungen und Farmtiere auf insgesamt 263 Fälle innerhalb eines Jahres1.

Als primäre Lösung sieht die rumänische Regierung nun den Abschuss der Braunbären vor und hat im Juli 2018  durch die Genehmigung des Nationalen Aktionsplans die Braunbärenjagd als zulässige Maßnahme wieder anerkannt. Wie, wann und wo dies konkret umgesetzt werden soll, geht aus dem Nationalen Aktionsplan nicht hervor. Doch wie ist das aus Tierschutzsicht zu bewerten?

Braunbaer in Nahaufnahme

Konflikte zwischen Mensch und Bär

Zunächst einmal gilt festzuhalten: Menschen gehören nicht in das Beuteschema eines Bären. Wenn sich die Tiere jedoch menschlichen Siedlungen nähern oder sich Bären in der freien Wildbahn durch den Menschen bedroht fühlen oder ihre Jungen schützen wollen, kann es vereinzelt zu Konflikten kommen. Die Hauptursache für Übergriffe von Bären ist dabei aber der vom Menschen verursachte Lebensraumverlust des Bären.

Lebensraumverlust der Bären

In Rumänien verlieren Braunbären zunehmend ihren natürlichen Lebens- und Schutzraum. Durch Infrastrukturmaßnahmen, wie dem Straßenbau, werden die von Bären besiedelten Habitate zum einen zerstückelt. Zum anderen wird durch eine illegale Nutzbarmachung der rumänischen Wälder wie Waldrodungen und Baugenehmigungen in Nationalparks die Lebensgrundlage der Bären zerstört. So stand beispielsweise der österreichische Holzkonzern Schweighofer im Jahr 2015 massiv in der Kritik, jahrelang systematisch illegal geschlagenes Holz verkauft zu haben²; Sanktionen und Geldstrafen für illegalen Holzeinschlag wurden seitens der rumänischen Regierung entweder gesenkt oder abgeschafft.

Die Braunbären werden infolgedessen aus ihren Revieren vertrieben und müssen sich andere Nahrungsquellen suchen. Dadurch kommt es immer wieder zu einem Vordringen der Bären in von Menschen besiedelte Gebiete, Bauern fürchten um ihre Tiere, und Müllplätze am Rande der Dörfer, die sich nahe der Waldgebiete befinden, ziehen ebenfalls futtersuchende Bären an.

Die dadurch entstehenden Konflikte werden als Vorwand genutzt, das Abschießen oder Einfangen der Tiere zu rechtfertigen, anstatt an den Ursachen des Lebensraumverlustes anzusetzen.

Schutzstatus des Braunbären – Berner Konvention

Braunbären sind laut der Berner Konvention – ein Übereinkommen über die Erhaltung der europäisch wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume – streng geschützt und dürfen weder gestört, gefangen, getötet noch gehandelt werden. Rumänien hat die Berner Konvention zum Schutz der Braunbären im Jahr 1993 ratifiziert. Trotzdem sind Ausnahmen vom Verbot zulässig: Gefährden die Tiere Menschen, dürfen geschützte Arten abgeschossen werden. Für den Abschuss einzelner Bären bedarf es Nachweise darüber, dass diese wiederholt und systematisch in menschliche Siedlungen vorgedrungen sind.

Schätzung statt Zählung der Braunbärenpopulation

Als weiterer Grund für die Jagd wird angeführt, dass der heimische Wald von seiner Größe her ausschließlich Lebensraum für 4.000 Braunbären bereithalte.³ Allerdings wurde eine umfassende, auf DNA-Analyse basierende Zählung bisher nicht angewandt, um die tatsächliche Größe der Braunbärenpopulation zu erfassen. Stattdessen beruht die Zahl von 6.000 Braunbären lediglich auf den Schätzungen von Jagdverbänden. In der Vergangenheit erhielten die regionalen Jagdverbände eine Abschussquote, die dann weltweit über Auktionen an private Jagdunternehmen verkauft wurde. Diese wiederum ermöglichten es Trophäenjäger aus der ganzen Welt – darunter auch Deutschland –, in Rumänien Bären abzuschießen.

Sollte zukünftig wieder eine Jagdquote vom rumänischen Umweltministerium festgelegt werden, werden sich wieder viele ausländische Jäger nach Rumänien auf die Jagd nach Braunbären begeben, so vermutlich auch viele Trophäenjäger aus Deutschland.

Trophäenjagd auf streng geschützte Arten

Aus einer im Oktober 2015 gestellten Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Bundestag4 geht hervor, dass zwischen 2005 und 2014 über 1.200 Trophäen eigentlich streng geschützter Arten nach Deutschland eingeführt wurden. In diesem Zeitraum wurden 460 Braun- und Grizzlybären weltweit nach Deutschland importiert. Laut CITES sind deutsche Jäger nach den USA und Spanien EU-Spitzenreiter bei der Jagd auf gefährdete und geschützte Arten.

Trophäenjagd auf Braunbären

An der Trophäenjagd selbst gibt es viele Kritikpunkte. So werden beispielsweise statt des Abschusses von sogenannten „Problembären“, die wiederholt in Siedlungen vordringen, friedliche Tiere im Wald erlegt. Ob sich diese überhaupt schon einmal Müllplätzen, Bauernhöfen oder Menschen genähert haben, spielt dabei keine Rolle. Ein weiteres Problem: Vor allem große Bären bringen als Jagdtrophäen den Jagdverbänden das meiste Geld. Werden jedoch gezielt diese starken Männchen geschossen, fehlt die natürliche Regulation innerhalb der Population (in der freien Natur töten Bärenmännchen unter bestimmten Umständen die Jungen von anderen Männchen). Zudem ist bei der Jagdsaison im Frühjahr die Gefahr groß, dass Bärenmütter getötet werden, da sich die Jungbären häufig in Büschen verstecken und von Jägern nicht gesehen werden. Den zurückgelassenen Bärenwaisen – insofern sie allein überhaupt überleben – fehlt es dann an der Sozialisierung durch die Mütter, sodass sie bärentypische, nicht angeborene Verhaltensweisen nicht ausbilden können. 

Der Bärenabschuss ist in Rumänien von der Regierung legitimiert

Bärenabschuss löst die Mensch-Tier-Konflikte nicht

Braunbären zum Abschuss freizugeben, trägt nicht dazu bei, den Mensch-Bär-Konflikt zu lösen. Stattdessen muss bei den wahren Ursachen der Konflikte angesetzt werden.

Solange der Lebensraum der Bären durch illegale Nutzbarmachung der rumänischen Wälder, wie Abholzungen oder Baugenehmigungen in Schutzgebieten, verkleinert wird und die Bären dadurch in besiedelte Gebiete getrieben werden, bleiben die Ursachen der Mensch-Bär-Konflikte bestehen.

Auf politischer Ebene müssen daher Gesetze gegen den illegalen Holzabbau und die illegale Bebauung von Schutzgebieten vom Ministerium für Wasser und Wälder in Rumänien durchgesetzt werden, um den Lebensraum der Braunbären zu erhalten und dadurch deren Ausweichen in von Menschen besiedelte Gebiete zu verhindern.

In Siedlungen der Menschen müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die futtersuchenden Bären nicht weiter anzulocken. Dazu zählen beispielsweise ein besseres Müllmanagement, das die Müllplätze vor Bären abschottet, sowie der Bau von Elektrozäunen zum Schutz der Tiere auf Bauernhöfen und um von Imkereien betriebenen Bienenstöcken.

Außerdem ist es notwendig, fundierte, auf DNA-Analyse beruhende Zählmethoden zur Bestimmung der Braunbärenpopulation anzuwenden. Auf dieser Grundlage muss ein Managementplan für die Koexistenz von Bären und Menschen entworfen werden, der sowohl die Biologie als auch den Schutzstatus der Tiere berücksichtigt und sich nicht vorrangig an Jagdverbänden orientiert.

Welttierschutzgesellschaft unterstützt Bärenschutzzentrum in Rumänien

Seit Jahren unterstützt die Welttierschutzgesellschaft in Rumänien das größte Bärenschutzzentrum Europas. Dort leben heute zahlreiche Bären, deren Mütter auf der Jagd geschossen und die als verwaiste Jungbären an Privatleute verkauft wurden. Jahrzehnte harrten sie illegal in Gefangenschaft in kleinen Käfigen als Touristenattraktion vor Restaurants aus. Andere wurden in Zoos schlecht gehalten. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Asociatia Milioane de Preteni (AMP) konnten wir diese Bären retten und ihnen ein tiergerechtes Leben im Schutzzentrum ermöglichen. Im Bärenschutzzentrum finden sie auf einer Gesamtfläche von 70 Hektar ausreichend Platz, Rückzugsmöglichkeiten, Winterschlafplätze und Badestellen. Zu dem Zentrum gehören neben drei weitläufigen Bärengehegen eine Erstaufnahme- und Quarantänestation sowie ein Eingewöhnungsgehege für die Neuankömmlinge.

»Mehr erfahren über das Bärenschutzzentrum in Rumänien

Quellen

[1] The Guardian, November 2017: How the brown bear became public enemy number one in rural Romania. https://www.theguardian.com/environment/2017/nov/22/how-the-brown-bear-became-public-enemy-number-one-in-rural-romania

[2] Artikel der Welttierschutzgesellschaft zur Abholzung durch die Schweighofer Gruppe: https://welttierschutz.org/illegale-abholzungen-durch-schweighofer-gruppe-fuehrt-zu-lebensraumverlust-der-braunbaeren-in-rumaenien/

[3] Nationaler Aktionsplan zum Schutz und Erhalt des Braunbären, März 2018: https://www.wftv.com/news/groups-protest-romanias-plan-to-get-rid-of-2000-bears/738929497;

[4] Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Bundestag 2015: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/063/1806317.pdf

++ Der Welttierschutzgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass dieser Artikel mit größter Sorgfalt recherchiert und erstellt wurde. Die Inhalte und Links werden allerdings nicht stetig aktualisiert und beziehen sich grundsätzlich immer auf den Stand der Recherche zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wenn Sie Anregungen oder Bemerkungen zum Artikel haben, nehmen Sie bitte mit uns Kontakt via info@welttierschutz.org Kontakt auf. ++

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