Kranke Katzen: Über das Leid von Rassen mit Defektmerkmalen
Schwer kurzköpfige Tiere – wie auch „Grumpy Cat“ – sind dabei im Internet besonders beliebt. Auch der Perserkater Wilfred (@Wilfredwarrior) hat mit seinen stark hervorstehenden Zähnen über eine Millionen Follower. Das Profil von Lucky, einer weiteren auf Instagram bekannten Perserkatze mit stark hervorstehenden Zähnen (@Luckysuperstarcat), hat nach dem ersten Foto von ihrem „verstellten“ Gesichts direkt 60.000 neue Follower gewonnen. Die Besitzerin erhielt nach eigenen Aussagen sogar Anfragen, ob sie die röchelnden Atemgeräusche ihrer Katze aufnehmen und an Fans verkaufen könnte.
Dabei ist dies einer von vielen Faktoren, die das Leid der Tiere ausmachen. Denn aufgrund der Verengung der oberen Atemwege und der Tränennasenkanäle haben diese Tiere oft schwerwiegende Atemprobleme sowie permanenten Augenausfluss bis hin zu Bindehautentzündungen. Auch Zahnfehlstellungen, wie beispielsweise die Verkürzung des Oberkiefers, was den Tieren die Nahrungsaufnahme erschwert, sind traurige Realität. Auch die Polyzystische Nierenerkrankung (PKD), eine erbliche Erkrankung der Nieren, ist besonders bei Perserkatzen und Exotic Shorthair-Katzen häufig. Dabei bilden sich Zysten (Flüssigkeitstaschen) in der Niere, welche im Krankheitsverlauf zunehmend beschädigt werden – bis die Katze Symptome einer chronischen Nierenschwäche aufzeigt und schließlich an Nierenversagen stirbt. Forscher schätzen, dass weltweit 38 Prozent aller Perserkatzen von PKD betroffen sind. Darüber hinaus neigen Rassen mit extremer Kurzköpfigkeit auch zu Schwergeburten und einer dadurch gesteigerten Totgeburtenrate. Nicht selten ist ein Kaiserschnitt notwendig, um die Kätzchen sicher auf die Welt zu bringen.
Grumpy Cat und Lil Bub sind aber auch zwei Beispiele dafür, dass die Kurzköpfigkeit selten der einzige Leidfaktor der Tiere ist. Wie bei den beiden geht diese Krankheit oft mit einer Kleinwüchsigkeit einher. Diese Form des Gendefektes, die sowohl bei „Lil Bub“ als auch „Grumpy Cat“ in schweren Ausprägungen auftrat, wird in den Netzwerken als besonders niedliche Eigenschaft wahrgenommen – und resultiert mittlerweile in gezielte Zuchten
© Tasy Hong / Wikimedia
„Niedliches“ Aussehen, bedrohliche Folgen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die genannten Rassen mit Defektmerkmalen selten nur eine gesundheitliche Belastung aufweisen. Die ausgeführten Erbkrankheiten bedeuten für die betroffenen Katzen in der Folge nicht nur eine Vielzahl von unterschiedlichsten Einschränkungen, sondern oft auch ein Leben geprägt von Qualen und Schmerz – Leidens-Momente, die in den kurzen Videos und statischen Fotos auf den Profilen bekannter Petfluencer kaum eine Berücksichtigung finden.
Doch bei Instagram, Facebook oder Twitter: Millionenfach werden in sozialen Netzwerken Videos und Bilder von kranken Katzen geliked, kommentiert und begeistert geteilt – das ist fatal, weil die fehlende Nennung der Defektmerkmale ausbleibt und so das immense Leid der Tiere verharmlost wird. Statt mit Jubel und Berühmtheit in den sozialen Netzwerken sollte die Thematik konsequent kritisch dargestellt werden. Zu beachten ist dabei auch, dass selbst Katzen einer Rasse mit Defektmerkmalen ohne „sichtbare“ Ausprägungen der Defektmerkmale die genetische Veranlagung für potentielles Leid und Schmerz in sich tragen und in die nächste Generation weitergeben können.
Als Welttierschutzgesellschaft lehnen wir die unkritische Darstellung dieser Tiere deshalb konsequent ab!
#StopptTierleid: Keine Likes für Leid
Wir appellieren im Rahmen unserer Kampagne „Stoppt Tierleid in den sozialen Netzwerken“ an alle Halter*innen von Tieren, die eine Qualzucht sind oder einer Rasse mit Defektmerkmalen angehören, sich mit der Thematik in ihren Beiträgen kritisch auseinanderzusetzen. Dazu zählt, dass alle Inhalte mit den entsprechenden Tieren einen kritischen Hinweis enthalten sollten, der über die (potentiellen) Krankheiten, Qualen, Schmerzen oder Leiden des Tieres und die Problematik der Zucht von Rassen mit Defektmerkmalen informiert. Nur so kann ein Beitrag geleistet werden, damit Qualzucht zukünftig verhindert wird.
Nutzerinnen und Nutzer der Netzwerke, die Inhalte mit potentiellen Qualzuchten oder Tieren einer Rasse mit Defektmerkmalen sehen, sollten diese Beiträge nicht liken oder kommentieren.
Jede öffentliche Reaktion verschafft dem Inhalt weitere Reichweite. Melden Sie stattdessen den Beitrag konsequent den Moderator*innen-Teams.
Bei Unsicherheit, ob es sich beim dargestellten Tier um eine Qualzucht handelt, sollte unserer Ansicht nach im Zweifel für das Tier entschieden werden: Zeigt das Tier sichtbare Defektmerkmale wie im Folgenden erläutert oder zählt es zu einer Rasse mit Defektmerkmalen und könnte potentiell (auch nicht sichtbar) die genetische Veranlagung für Defektmerkmale tragen, ist die einzig richtige Reaktion dieselbe: #KeineLikesFürTierleid – und konsequent melden.
Jetzt Petition unterschreiben!
Stärken Sie unsere Forderungen an die sozialen Netzwerke und die Bundesregierung: Für ein Stopp von Tierleid-Inhalten!
Die WTG fordert: Das Wohl der Tiere in den Mittelpunkt
Unsere Forderungen richten sich an:
… die Gesetzgebung:
Solange es an einer rechtlich bindenden Konkretisierung von Qualzucht fehlt, wird sich an den oft tierquälerischen Zuständen nichts ändern. Eine Neuregelung, die im Zweifel für das Tier entscheidet, muss helfen, dass durch Qualzucht bewusst erzeugtes Leid verhindert wird. Die Gesetzgebung ist entsprechend angehalten, die Wissenschaft dabei zu fördern, eine Defektmerkmal-orientierte Definition von Qualzucht zu erarbeiten, aus der dann Zuchtverbote oder Anpassungen der Zuchtstandards im Sinne des Tierwohls resultieren.
In Bezug auf bestimmte Rassen mit Defektmerkmalen müssen wir schon jetzt davon ausgehen, dass die Einzeltiere Qualzuchten sein können. Insbesondere Tiere, bei denen entsprechende Defekte sichtbar ausgeprägt sind oder genetisch nachgewiesen werden können, sollten deshalb unmittelbar und konsequent von der Zucht, Werbung und unkritischen Darstellung etwa in sozialen Netzwerken ausgeschlossen werden.
… die Zuchtverbände und Züchter*innen:
Züchter*innen sollten die gezielte Entstehung und Vermehrung von Qualzuchten verhindern. Dies betrifft auch die derzeit gerne propagierten Rückzuchten oder gezielte Mischzuchten einiger Rassen, da auch hier nicht sichergestellt werden kann, dass die Zwischengenerationen frei von Leiden sein werden. (Siehe auch: Gutachten zur Frage, ob Verstöße gegen das Qualzuchtverbot nach § 11b Abs. 1 TierSchG tatbestandlich ausgeschlossen oder gerechtfertigt sein können, wenn bezweckt ist, als Endresultat – d. h. nach mehreren Zuchtgenerationen – schmerz-, leidens- und schadensfrei lebensfähige Nachkommen zu erzielen: https://qualzucht-datenbank.eu/wp-content/uploads/2021/10/Ergaenzungsgutachten-Cirsovius-30.09.2021.pdf). Grundsätzlich gilt es, nur mit gesunden Tieren und keinen Individuen einer Rasse mit Defektmerkmalen zu züchten, deren Zuchtstandards Leiden und Schmerzen zur Folge haben können.
… (potentielle) Tierhalter*innen und Verbraucher*innen:
Wir wünschen uns: Rücken Sie das Wohl des Tieres in den Mittelpunkt Ihrer Entscheidung bei der Wahl für eine bestimmte Rasse oder ein bestimmtes Tier. Die Tierzucht ist stark von der Kund*innennachfrage beeinflusst und kann daher auch dadurch geleitet werden, dass fortan gezielt Gesundheit über Aussehen und/oder Leistung gestellt wird!
Im Hinblick auf Qualzucht von Nutztieren sollte es des Weiteren allen Verbraucher*innen bewusst sein, dass durch das eigene Kaufverhalten unter Umständen Tierleid billigend in Kauf genommen und die Qualzucht in der Nutztierhaltung gar unterstützt wird. Verbraucher*innen sollten daher unbedingt auch eigenständig recherchieren und sich informieren.
… von sozialen Netzwerken und seinen Nutzer*innen:
Zahlreiche Werbetreibende und relevante Nutzer*innen-Profile in sozialen Netzwerken setzen Qualzuchten als Werbegesichter auf Plakaten oder Anzeigen ein. Besonders häufig werden die vermeintlich niedlichen Tiere auch von Tierhalter*innen dargestellt, um Reichweite zu gewinnen – dabei beliebt sind brachyzephale oder zwergwüchsige Tiere, die etwa durch die großen „Kulleraugen“ oder die platten Nasen das Kindchenschema verkörpern. Durch diese unkritische Darstellung von Qualzuchten wird unserer Ansicht nach das mit der Qualzucht verbundene Tierleid verharmlost und der gefährliche Trend maßgeblich befördert. Wir fordern deshalb auch die sozialen Netzwerke auf, konsequenter gegen die unkritische Darstellung von Tierleid wie (potentiellen) Qualzuchten vorzugehen. Unsere Forderung an die Betreiber*innen der Netzwerke können Sie hier mit Ihrer Petitions-Unterschrift stärken: https://welttierschutz.org/tierleid-stoppen/.
Konkrete Forderungen an Halter*innen von Tieren, die (potentielle) Qualzuchten sind, lesen Sie auch hier: https://welttierschutz.org/unkritische-darstellung-von-qualzucht/.
Und auch von Seiten der Nutzer*innen sozialer Netzwerke muss der Umgang mit und die Reaktion auf Qualzuchten überdacht werden. Inhalte, die (potentielle) Qualzucht unkritisch darstellen, sollten ignoriert und konsequent den Moderator*innen-Teams gemeldet werden. Wie Sie dabei in sozialen Netzwerken vorgehen sollten, zeigt unser Leitfaden.
++ Der Welttierschutzgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass dieser Artikel mit größter Sorgfalt recherchiert und erstellt wurde. Die Inhalte und Links werden allerdings nicht stetig aktualisiert und beziehen sich grundsätzlich immer auf den Stand der Recherche zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wenn Sie Anregungen oder Bemerkungen zum Artikel haben, nehmen Sie bitte mit uns Kontakt via info@welttierschutz.org Kontakt auf. ++
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