"Mann rettet Hund vor Python" oder "Kätzchen vor Hungertod gerettet" – das sind Beispiele für Titel von besonders reichweitenstarken Videos auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube. In dramatischen Aufnahmen werden darin offensichtlich verängstigte Tiere meist in letzter Sekunde aus Notsituationen befreit; professionell gefilmt und untermalt von emotionaler Musik. Doch eine tiefergehende Beschäftigung mit vielen dieser Videos zeigt auf: Viele Kanäle dieser Art listen unzählige Videos im selben Stil und es sind häufig so genannte Fake Rescues, zu Deutsch: inszenierte Rettungen.
Das einzig Echte an ihnen ist die blanke Angst des Tieres. Die Szene selbst ist inszeniert und das Tier nur für dieses Video in Gefahr gebracht.
Dramatische Videos, die ein Happy End vorhersagen: Das bietet Zuschauerinnen und Zuschauern grundsätzlich gute Unterhaltung. So kommt es, dass zahlreiche Tierrettungs-Videos binnen kurzer Zeit von Millionen Nutzerinnen und Nutzern der Netzwerke angesehen, geteilt und mit Gefällt-mir-Angaben gefördert werden. Doch nicht alle von ihnen sind echt.
Das Phänomen der inszenierten Rettungen ist insbesondere in sozialen Netzwerken mit Video-Fokus ein wachsendes Problem, weil hier Klicks und Reichweite auch in Geldwert münden – die Erstellenden hoffen also durch die Einbindung von Werbung, Einkommen zu generieren. Je mehr Klicks und Reichweite ein Video und damit die Werbung erhält, desto höher die Einnahmen. Eine amerikanische Organisation (https://ladyfreethinker.org/wp-content/uploads/2020/12/Lady-Freethinker-Report-YouTube-Profits-From-Animal-Abuse.pdf) dokumentierte 2020, dass etwa 2.000 Videos inszenierter Rettungen in einem Zeitraum von zwei Monaten, in denen sie online waren, bereits mehr als 1 Milliarde Aufrufe erhielten.
Das Thema der inszenierten Rettungen wurde auch medial bereits stark kritisiert:
Im englischsprachigen Raum sind hier National Geographic (https://www.nationalgeographic.com/animals/article/how-fake-animal-rescue-videos-have-become-a-new-frontier-for-animal-abuse) und Vice (https://www.vice.com/en/article/akg9pz/fake-rescues-and-animal-torture-are-disturbingly-common-on-social-media) exemplarisch zu nennen.
In Deutschland widmeten sich bereits Influencer dem Thema. Zunächst arbeitete RobBubble das Thema in einem Video auf:
Dann reagierte Rezo umfangreich:
Was tun die Netzwerke dagegen?
Im Zuge der Kampagnenarbeit sind wir auf Lisa Schulze (Name auf Wunsch anonymisiert) gestoßen, die sich seit letztem Jahr mit großem Einsatz auf der Video-Plattform Youtube inszenierten Rettungen widmet. Sie sagt, es sei „ein Katz- und Maus-Spiel“:
- „Ich beobachte aktuell etwa 700 Kanäle. Postet einer ein neues Video, verbreitet es sich meist schnell auch auf den weiteren Profilen.“
Mittlerweile habe sich eine kleine Gruppe engagierter Leute um sie gebildet, die immerzu ein Auge auf die Inhalte habe und sich in unterschiedlichen Netzwerken dazu unter Beiträgen austauschen – beispielsweise hier auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=B-j6RjZn0xM oder hier auf reddit: https://www.reddit.com/r/fakerescues/. Wird ein neues Video gepostet, melden alle Mitglieder der Gruppe dieses direkt und unmittelbar an die Moderator*innen-Teams des jeweiligen Netzwerks. Auch haben sie begonnen, die Werbetreibenden zu kontaktieren, damit diese jene Kanäle für die eigenen Werbemaßnahmen sperren. Die Hoffnung:
- „Wenn mit den Videos kein Geld mehr verdient werden kann, wird auch kein Tier mehr gequält.“
Etwaige Kontaktversuche der Gruppe an Youtube blieben unbeantwortet, aber der öffentliche Druck und das konsequente Melden nützten offenbar dennoch:
Die Video-Plattform Youtube hat mit der letzten Aktualisierung der Gemeinschaftsstandards das Hochladen von inszenierten Rettungen untersagt, was zur Folge haben soll, dass etwaige Videos mit diesen Inhalten sowohl nachträglich als auch bei Neu-Erstellung gelöscht werden. Das ist ein erster wichtiger Schritt! Die Umsetzung sehen wir aber leider noch nicht in zufriedenstellendem Maße:
Schon eine kleine Recherche zeigt, dass sich weiterhin unzählige Videos inszenierter Rettungen finden. Und auch Schulze sieht keine maßgebliche Veränderung:
- Kanäle werden gesperrt, gelöscht oder einzelne Videos werden entfernt. Aber neue Kanäle gehen sofort online und es werden weiter solche Videos hochgeladen oder alte erneut hochgeladen.
Dringend muss den Inhalten Einhalt geboten werden: Meldungen von engagierten Nutzerinnen und Nutzern sollten von den Moderator*innen-Teams zügig und korrekt bearbeitet werden. Die Inhalte gehören schnell gelöscht und die Kanäle der Erstellenden gesperrt – damit diesen und weiteren grausamen Inhalten inszenierter Rettungen keinesfalls Reichweite zu Gute kommen kann.
Darüber hinaus muss deshalb gelten, als Nutzerin und Nutzer selbst sehr wachsam zu bleiben und keinem der Videos Reichweite zu beschaffen – weder bei Youtube noch den weiteren sozialen Netzwerken mit Video-Option wie Facebook und TikTok.
Im Folgenden lesen Sie, wie Sie Videos inszenierter Rettungen erkennen und wie Sie darauf reagieren sollten.
So erkennen Sie Videos inszenierter Rettungen:
Prüfen Sie die Quelle: Ist die erstellende Seite ein journalistisches Medium oder eine Tierschutzorganisation? Dann dürfte es naheliegen, dass das Video echt ist und durch die Darstellung der Rettung auf Missstände hingewiesen wird. Diese Inhalte sind wichtig und richtig und nicht als Tierleid-Inhalte zu kritisieren.
Werfen Sie einen Blick auf weitere Kanal-/Profil-Inhalte: Befinden sich auf dem Profil zahlreiche Rettungsvideos, die in ähnlichem Stil benannt und gefilmt sind, verhärtet sich der Verdacht, dass hier Rettungen inszeniert werden.
Schauen Sie auf die Szene: Die Kulisse, also der Ort, an dem sich das Video abspielt, kann Aufschluss geben. Diese ist beispielsweise in vielen Videos inszenierter Rettungen ähnlich oder identisch, zum Teil wirkt die Situation auch unnatürlich oder gestellt.

Schauen Sie auch auf die dargestellten Tiere: Viele Videos kommen von ein- und denselben Erstellenden, die auch immer wieder dieselben eigenen Tiere einsetzen. Oft zeigt dies der Blick auf die Kanäle. Sehen Sie beispielsweise ein vermeintliches Rettungsvideo von einem Welpen in Gefahr durch eine Python und im selben Kanal denselben Welpen in anderer Gefahrensituation, sollten Sie äußerst skeptisch sein. Denn dann handelt sich um einen Kanal, der offenbar gezielt Tiere in Gefahr bringen könnte, um sie vermeintlich heldenhaft zu retten.

Im Rahmen der Kampagne "Stoppt Tierleid in den sozialen Netzwerken" beobachten wir derartige Kanäle und Videos seit geraumer Zeit und stellen fest: Viele Nutzerinnen und Nutzer erkennen das Problem nicht. „Großartiger Mensch“, „Danke, dass Sie helfen“, heißt es in einigen Kommentaren. Nur selten lesen wir, dass die Inhalte gemeldet wurden.

#StopptTierleid: Melden Sie Inhalte!
Sie können uns etwaige Tierleid-Beiträge oder Ihre Fragen an stoppttierleid@welttierschutz.org senden. Teilen Sie uns beim Melden von Inhalten bitte (gern mit Screenshots belegt) auch mit, ob Sie den Inhalt bereits an die Netzwerke gemeldet haben und ob es eine Reaktion gab.
So reagieren Sie auf Videos inszenierter Rettungen:
- Seien Sie misstrauisch, wenn der Titel des Videos sehr simpel formuliert ist und die Darstellung reißerisch wirkt.
- Teilen oder kommentieren Sie die Videos nicht: Jeder Klick schafft Reichweite und bringt die erstellende Person zum Ziel.
- Melden Sie sowohl die einzelnen Videos als auch den Kanal an das Netzwerk. Eine Anleitung finden Sie hier: https://welttierschutz.org/stoppt-tierleid/leitfaden-melden/
Wenngleich die Reaktion auf Meldungen dieser Inhalte an die Moderator*innen-Teams, die für die Löschung der Videos und Sperrung der Erstellenden verantwortlich sind, oft noch unbefriedigend sind, dürfen wir nicht nachlassen und müssen uns als Nutzer*innenschaft gemeinsam gegen Tierleid stark machen!
Denn Videos inszenierter Rettungen sind nur ein weiteres, wenngleich besonders schockierendes Beispiel für die Problematik der uneingeschränkten Tierleid-Darstellung in sozialen Netzwerken. Wir setzen uns mit unserer Kampagne deshalb vehement dafür ein, dass die Netzwerke Verantwortung übernehmen und Tierleid keine Plattform mehr bieten. Dafür machen wir uns im Rahmen umfangreicher Informationsarbeit sowie im Austausch mit Netzwerk-Vertreter*innen und politischen Akteur*innen stark.
Unterstützen Sie uns dabei, liebe Tierfreundinnen und Tierfreunde: Teilen Sie diesen Inhalt, unterzeichnen Sie die Petition und verhelfen Sie der Kampagne mit Ihrer Spende zu mehr Schlagkraft!
Stoppen Sie das Tierleid!
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