Besuch in Suriname

Tag und Nacht mit Faultieren und Ameisenbären: Daniela Schrudde, die inhaltliche Leiterin unserer Tierschutzarbeit, weiß, dass hinter der traumhaften Vorstellung auch eine Menge Arbeit steckt. Erst kürzlich besuchte sie unser Wildtierprojekt in Suriname, um sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen und den Alltag unserer Partner des Green Heritage Fund Suriname kennenzulernen. Lesen Sie hier ihren Erfahrungsbericht.

„Ja, Suriname ist augenscheinlich wirklich ein Paradies: Kilometerweit nur Regenwald, eine wilde Flora und Fauna und vor allem Faultiere und Ameisenbären in freier Wildbahn. Doch die Probleme in diesem südamerikanischen Land sind, nicht zuletzt in und um den Flughafen in Paramaribo, nicht zu übersehen: Überall wo möglich wird Platz für Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels und die Infrastruktur geschaffen – und dem müssen große Teile der einst unberührten Grünflächen weichen. Wie drastisch dieser Wandel vor sich geht und welche Auswirkungen er vor allem auf die Tierwelt hat, weiß Monique Pool, die in Suriname aufgewachsen ist und den Green Heritage Fund Suriname (GHFS) leitet.

Sie holt mich vom Flughafen ab und bringt mich direkt zum Gelände am Stadtrand, wo sie mit dem GHFS über die letzten Jahre eine Auffangstation für Wildtiere geschaffen hat. Und direkt unterbricht der erste Notruf unseren Rundgang: Ein Zweifingerfaultier klammert sich an einer Baustelle – einem ehemaligen Forstgebiet – an den letzten verbleibenden Baumstumpf. „Ein typischer Fall“, wie das Team weiß. Die in der Tat sehr langsamen Faultiere können nicht auf die rasante Veränderung ihres Umfelds reagieren und werden immer häufiger desorientiert und verletzt inmitten der Neubaugebiete und Städte aufgefunden.

Ob für Rettungen von verletzten oder orientierungslosen Tieren wie diesem oder auch für Konfiszierungen von Tieren in illegaler, privater Haltung: Der GHFS ist die einzige Organisation in Suriname, die sich derer Fälle annimmt und ein Schutzzentrum für die Tiere bietet. Mittlerweile gehen jede Woche mehrere Hilferufe aus der Bevölkerung ein und während 2014 noch durchschnittlich ein Tier pro Woche aufgenommen wurde, sind es heute bereits drei Tiere – Tendenz steigend.

Wir von der Welttierschutzgesellschaft haben deshalb ein eigens für den Transport der Tiere ausgerüstetes Auto finanziert und im Zuge meiner Reise übergeben. Hiermit kann das Team vom GHFS bei Notfällen sofort ausrücken und die Tiere behutsam aus ihrer misslichen Lage befreien. Auch das Faultier von der Baustelle wird umgehend in die Auffangstation gebracht, wo wir es gemeinsam tiermedizinisch untersuchen und bald, nach einigen Beobachtungstagen, in einer gesicherten Region wieder auswildern werden.

Übrigens: Der Comic auf dem „Rettungsauto“ erzählt die Geschichte der größten Faultierrettungsaktion in der Vergangenheit – aus dem Jahre 2012, als fast 200 Faultiere umgesiedelt wurden, weil ihr Lebensraum abgeholzt werden sollte. Der Comic beschreibt, wie ich finde, auch heute noch auf fantastische Weise, was die Arbeit des Projektes ausmacht.

Der schmale Grat zwischen Fürsorge und Verhätscheln

Am nächsten Tag steht der Rundgang in der Auffangstation an, in der derzeit drei Ameisenbären (ein großer und zwei kleine) sowie drei Zweifingerfaultiere und acht Dreifingerfaultiere leben. Die meisten werden – wie das gestern gerettete Faultier – von der „Pflegestelle auf Zeit“ zurück in die Wildnis gebracht, sobald sie dafür fit genug sind. Doch einige Tiere, so erzählt das GHFS-Team, müssen mehrere Jahre hier verbringen, um Verletzungen ausheilen zu lassen oder sich mit der Wildnis erst noch „anzufreunden“.

Ein Beispiel ist Stonie: Der GHFS rettete ihn aus einer privaten Haltung, in der seine Halter ihm alle Klauen abhackten, um sich vor Verletzungen zu schützen. Fatal für die Tiere, denn das Nachwachsen nimmt sicherlich noch ein bis zwei Jahre in Anspruch und bis dahin kann er nicht ausgewildert werden. Die Klauen sind eines der wichtigsten Hilfsmittel beim Klettern auf Bäume. Und sie fehlen ihm bei seiner täglichen Fellpflege, die bei den Dreifingerfaultieren sehr standardisiert vor sich geht.

So ist es an uns, ihn mit einer Plastikgabel (mag er am liebsten) zu kämmen. Doch so hilfsbedürftig die Tiere in ihrer Zeit in der Auffangstation auch sind, sie bleiben Wildtiere und es bedarf eines sensiblen Umgangs mit ihnen, damit einer zukünftigen Auswilderung nichts im Wege steht. Diese Ausgewogenheit zwischen aufopfernder Fürsorge und tiergerechter Behandlung beherrscht der GHFS aus dem Effeff.

ALLTAG MIT FAULTIEREN UND AMEISENBÄREN: TIERISCH VIEL ZU TUN

Die nächsten Tage vergehen wie im Fluge, denn der Alltag mit Faultieren und Ameisenbären verlangt harte Arbeit vom Team ab:
Futter besorgen und zubereiten, Käfige säubern, füttern und dabei einem der Zweifingerfaultiere die Flasche geben, Wasser bereitstellen und ein krankes Dreifingerfaultier begutachten. Besonders aufwendig und zeitintensiv ist die Beschaffung der Nahrung, denn das Laub, das als Futter für die Tiere dient, gibt es nur weit außerhalb der Stadt. Dort ernten wir es mit Macheten, sammeln es ein und bringen die geballte Blätterladung anschließend zu den hungrigen Mäulern in die Auffangstation, die schon sehnsüchtig auf uns warten. Mindestens zwei- bis dreimal wöchentlich muss das Team diesen Aufwand betreiben und nebenbei ertragen, für den Rest des Tages ein wandelndes Ameisennest zu sein – denn die Tiere bauen in den Pflanzen mit Vorlieb ihre Nester.

Zusätzlich halten die Tiere auf dem Gelände uns mächtig auf Trab. Zum Beispiel bei der Körperpflege (wie im Fall von Stonie) oder bei den regelmäßigen tiermedizinischen Checks.

Zurück in die Wildnis: Alles Gute, Karen

Ein Faultier, das mir in diesen Tagen in der Auffangstation besonders ans Herz gewachsen ist, trägt den Namen Karen. Die bezaubernde Faultierdame erlitt ein trauriges Schicksal und wurde lange Zeit von Menschen gehalten und augenscheinlich misshandelt. Schwere Verletzungen, die durch eine viel zu enge Kette um ihren Bauch entstanden sind, wiesen unweigerlich darauf hin. Durch die aufopfernde Fürsorge des GHFS konnte sie aufgepäppelt und Schritt für Schritt mit einem Leben in der Wildnis vertraut gemacht werden. Und dann sollte ihr großer Tag kommen: Wir fahren mit ihr weit raus aus der Stadt, in eine vor Abholzung gesicherte Region. Als wir Karen in den Baum setzen, bleibt sie zunächst etwas unentschlossen hocken und schaut sich um. Echte Freiheit hatte sie jahrelang nicht erlebt. Doch kaum drehen wir ihr den Rücken zu und wenden uns von ihr ab, klettert sie im ’slow motion‘ in Richtung Wipfel. Ihre Auswilderung ist ein Erfolg – und ihre Geschichte macht Hoffnung.

Heute haben wir auch einen namenlosen Artgenossen von Karen in die Freiheit entlassen. Er war nur kurze Zeit in der Auffangstation – hat deshalb keinen Namen – und bewegte sich deutlich schneller gen Baumkrone.
Die Bilder illustrieren diesen besonders tollen Tag sehr gut.

FÜR DIE ZUKUNFT WAPPNEN

Doch eines steht außer Frage: Angesichts der immer häufiger werdenden Fälle, in denen Tiere ihren Lebensraum verlieren und Hilfe benötigen, ist die Auffangstation langfristig zu klein. Der Green Heritage Fund Suriname ist deshalb dabei, ein größeres ‚Schutzzentrum‘ zu bauen. Weit abseits der Stadt und ganz nah am Waldrand werden dort die geretteten Tiere eine optimale Zwischenstation erhalten, in der sie tiergerecht auf ihr Leben in Freiheit vorbereitet werden können.“

Bitte unterstützen Sie uns dabei, dieses Ziel zu erreichen.

HELFEN SIE DEN GEFÄHRDETEN FAULTIEREN UND AMEISENBÄREN IN SURINAME

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